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Alt 25.05.2007, 16:56   #1
Alexandra Philippi
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 5


Standard Freiheit

Freiheit





Nachdenklich saß ich am Schreibtisch und vergrub mein Gesicht in den bleichen Händen. Es stürmte draußen und ein tiefes Grollen durchbrach die toten Stille der Nacht. Daraufhin fing es an zu regnen. Der Regen prasselte nur so auf die Straße und mit ihm rannen Tränen meinen Handrücken hinunter und tropften auf den Schreibtisch. Lächelnd nahm ich die scharfe Schere und drehte sie eine Weile in der Hand. Schmerzen, Wut und Hass zogen sich schon seit Jahren durch mein kleines Leben, denn ich war es nicht anders gewohnt von meinem grausamen Vater geschlagen oder auf dem Schulhof getreten und bespuckt zu werden. Ich konnte jetzt selbst entscheiden, wie es mit mir weitergehen sollte oder zu Ende...
Es donnerte und blitzte, ein heller Schein erleuchtete, kaum eine Sekunde mein Zimmer. Erschrocken legte ich die Schere beiseite und fing jämmerlich an zu schluchzen.


Am nächsten Morgen wurde ich von fröhlichem Vogelgezwitscher aufgeweckt. Benommen rieb ich mir den Schlaf aus den Augen und gähnte erst einmal ausgiebig, bevor mein träger Blick die Wanduhr streifte. Schon viertel vor zehn! Mein kleiner Kopf begann auf Hochtouren zu arbeiten. Ich hatte verschlafen. Plötzlich hellwach trug ich meinen müden Körper aus dem Bett und griff nach dem schwarzen Rock, der über der Stuhllehne hing und streifte ihn mir über die Beine. Auf dem Boden neben der Stereoanlage lag noch eine lila Bluse, die ich mir behutsam zuknöpfte. Ich entdeckte eine Bürste und fuhr mit ihr mehrmals durch mein langes, glattes, schwarzes Haar, wobei ich verschlafen in den großen, alten Spiegel sah. Einen Moment lang grummelte ich vor mich hin, ehe ich das Fenster öffnete und hinaus sprang.


Igitt, dachte ich mir, als ich barfuss in dem noch vom Regen matschigen Garten stand. Angewidert stampfte ich auf die Straße und säuberte meine Zehen am Straßenrand.
Da war es plötzlich wieder, dieses Gefühl von Freiheit, man fühlte sich im ersten Moment zu allem bereit und dann, ja dann kommt so eine Mischung aus Hilflosigkeit und Verzweiflung in einem auf mit vielen wütenden Hummeln im Bauch. Sehr unangenehm! Da ich nun das Treffen mit Saskia wohl oder übel komplett verschlafen hatte, sputete ich zur alten Scheune und stieß das morsche Scheunentor auf. Durch die Holzspalten schien die Sonne und man konnte die unzähligen Staubkörner, die in der Luft schwebten nahezu zählen. Gezielt lief ich auf einen der Strohbünde zu und griff nach der pinken Gitarre, die es anscheinend „gemütlich“ im Stroh hatte. Schnell schnallte ich sie mir um und trat aus der Scheune. Eine Weile schloss ich die Augen und hielt den Kopf gegen die Sonne und atmete tief ein. Um mich herum summten die Bienen im Klee und erfreuten sich an dem schönen Wetter. Ich öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne, danach ging ich die Dorfstraße hinauf um zum Feldweg zu gelangen. Dort angelangt, ging ich die vielen Feldflure entlang und erfreute mich der frischen Luft und der wunderschönen Aussicht über die endlosen Weiten des Landes.

Vergnügt pfiff ich meine Lieblingsmelodie, hüpfte durch klares Quellwasser und erfrischte mich einen Augenblick an einer eben solchen Quelle. Mein restlicher Weg führte mich noch ein Stückchen in ein abgelegenes Waldstück und dort blieb ich dann, an einem wunderhübschen See. Um ihn herum wuchsen Blumen in unzähligen Farben und leuchteten im Glanz des Sonnenscheines. Insekten flogen über das kristallklare Wasser hinweg und tanzten auf seiner Oberfläche wie Elfen. In ein Moosbett legte ich die Gitarre und zog mir die Kleidung aus. Verträumt ging ich an das Wasser und spiegelte mich darin. Leere, grüne Augen blickten mich an, als wollten sie mir sagen, sie hätten von ihrem Leben mehr erwartet. Entsetzt wandte ich den Blick ab. Ich entschloss mich daraufhin in das Wasser zu gehen und mir meinen Schmerz von der Seele zu waschen. Vorsichtig tauchte ich einen Zeh im kalten Wasser ein, dann stand ich schon mit beiden Füßen im Wasser und plötzlich stand es mir bis zum Hals.
Ich tauchte unter. Vielleicht mit der Hoffnung mich ertränken zu können. Die Kälte fuhr mich durch den Kopf und ließ ihn höllisch schmerzen. Ich vergaß alles andere und für einen Moment fühlte ich mich erlöst von allem Leid. Ich schlenderte zum Moosbett zurück und ließ mich hineinfallen. Der süße Geruch der Blüten ließ mich träumen. Träumen von anderen Welten. Meine Augenlider wurden schwer, erschöpft schloss ich sie und schlief ein.



Es kam mir wie Ewigkeiten vor, als ich meine schweren Augenlider wieder öffnete. Verschwommen nahm ich eine Gestalt war. Sie saß links neben mir und strich mir liebevoll durch das lange Haar. Dann kraulte sie mich wie ein Kätzchen im Nacken. „Na, meine Liebe?“ , fragte der Junge. „Oh!“, rappelte ich mich auf. Verschmitzt grinste er mich an. Ich ging auf Distanz, er war mir fremd. Der Junge schaute mich selbstverständlich an, als ob er mich schon Jahre kennen würde. Nein, ich kannte ihn nicht, dachte ich verdutzt und fauchte: „Wer bist du?“. „Wer ich bin?“, er lachte, „ich bin dein Traum aus einer anderen Welt.“ Ich lachte. „Du hast mich geträumt.“, versuchte er zu erklären. Ich verstand nichts mehr. Nichts was aus seinem Mund kam. Doch es war mir egal, vollkommen egal! Ich gab mich geschlagen und stimmte ihm zu. Er war wunderhübsch. Ja, wie aus einem Traum. Er stand auf und lächelte mich wieder an. Dann reichte er mir seine Hand. Vorsichtig ließ ich meine Hand in seine gleiten. Er sah glücklich aus. Ich merkte, wie mir plötzlich abwechselnd warm und kalt wurde. Mir schien Röte ins Gesicht zu steigen und ich fing an zu schwitzen. Mein Herz klopfte wie verrückt und meine Augen schauten wie gebannt in seine. Ihn schien eine Art Magie zu umkreisen. Er fesselte mich in seinen Bann. Da merkte ich, das ich noch nie so gefühlt hatte. Er war mir so nah, doch er schien so weit weg. Ich war glücklich und traurig zu gleich. Es war, als hätte er mir mein Herz herausgerissen und ich war jetzt das hilflose kleine Kind. Er nahm mich bei der Hand und lief mit mir weg. Noch rechtzeitig griff ich nach meiner Gitarre und stolperte hinter ihm her. Ich versuchte mich nicht weiter loszureißen, denn es hatte keinen Zweck. Er hielt mich so sehr fest das mein Handgelenk schmerzte. Ich biss die Zähne zusammen. Immer, immer weiter, dachte ich. Lauf! Äste und Dornen zerkratzten mir meinen Körper. Oft stürzte ich, doch er zog mich immer wieder hoch. Obwohl ich schon lange nicht mehr konnte lief ich weiter hinter ihm her. Alles schmerzte mir und ich hatte das merkwürdige Gefühl das es schlimmer werden wird. Abrupt blieb der Junge stehen. Durchdringend sah er mich an mit seinen stahlblauen Augen. Ein wenig machte er mir langsam Angst.

Denn, er war mein Traum.


Ich wachte Zuhause auf. Schweißüberströmt lag ich im Bett. Am ganzen Körper zitterte ich und rang nach Atem. Verzweifelt starrte ich höchst konzentriert die Wand an. Ich wollte schreien, doch ich biss mir in die Hand, um den Schrei zu unterdrücken. Ich biss sogar so feste, sodass ich Blut schmecken konnte. Mir wurde übel. Da wurden meine Augen warm und feucht. Sie füllten sich mit Tränen und tropften auf die Bettdecke. Noch in derselben Neumondnacht lief ich zum See. Auf meinem Weg dorthin schluchzte ich laut und weinte unbeholfen vor mich hin. Keiner versteht mich, dachte ich wütend, keiner möchte mir helfen. Ich rannte durch den Wald, die Kälte stieg vom Boden auf und machte alles noch viel schwerer. Dornen schnitten tiefe, blutige Wunden in mein Fleisch und meine Tränen wurden blutig. Wie in Trance lief ich weiter. In mir wütete eine Mischung aus Leere und tiefer Trauer. Da stand ich dann am See. Verheult, verzweifelt, hilflos. Plötzlich stand er wieder vor mir. Mein Traum. Er blickte mich mitfühlend an: „Mädchen, folge mir in eine andere Welt!“ Er machte mir angst. Angst, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte. Einfach grausam. Doch ich griff erneut nach seiner Hand und folgte ihm, stumm und ohne jegliche Regung. Da merkte ich, das er mich ins Wasser führte. „Eine andere Welt, eine bessere Welt.“ , sagte er immer wieder. Die Kälte, die von ihm ausging war unerträglich. Er beugte sich vorsichtig zu mir vor. Seine Augen füllten sich mit dunkelrotem Blut, ehe er mich zärtlich küsste. Das Blut rinn ihm über die bleiche Haut. Dann legte er seine Hände um meinen Hals und drückte mich kaltblütig unter Wasser. Im ersten Moment riss ich erschrocken die Augen auf, das kalte Wasser brannte in ihnen und meine Lunge füllte sich nach wenigen Sekunden des Grauens mit Wasser. Er ertrank mich.
Ohne jegliche Gefühle zu zeigen hob er meinen leblosen Körper aus dem Wasser. Er strich mir liebevoll die nassen Haare aus dem Gesicht und küsste mir die Wassertropfen von der Nasenspitze. Auf einmal fing es wie aus dem Nichts heraus an zu regnen. Da hauchte er mir in mein Ohr: „Tod sein heißt frei sein.“, und zerfiel zu schwarzen Federn. Meine Leiche fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden und die nächtliche Stille wurde von einem schrecklichen Schrei zerstört.


Ich war gefangen in meinem Traum.
Alexandra Philippi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2007, 17:08   #2
Katha
 
Dabei seit: 06/2006
Beiträge: 140


hi Alexandra Philippi!
also ich finde die idee der geschichte ganz schön. meiner meinung nach haste die auch ganz gut umgesetzt.
ein paar fragen hab ich jedoch:

1. was soll die gitarre?
2. wenn der "traum" das mädchen aus dem wasser hebt, bringt er sie ans ufer oder zieht er sie einfach wieder hoch? weil wenn die noch im wasser ist, kann die leiche nicht dumpf aufschlagen
3. wer schreit am ende?

lg, katha
Katha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2007, 13:16   #3
Alexandra Philippi
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 5


hey katha,

danke für deinen Beitrag.

die gitarre habe ich mit einfließen lassen, weil ich selber sehr gerne gitarre spiele. :-) Die konnt ich nicht weglassen... Sie hat also keine wichtige Bedeutung im Verlauf der Geschichte. Nur eine wichtige für mich.

Ja, und bei der 2. Frage hast du recht. Da hab ich mir noch nie wirklich gedanken zu gemacht! Danke, das du mich darauf aufmerksam gemacht hast.^.^ Ich denke, ich werde es so umschreiben, das er sie aus dem Wasser hebt und zum ufer bringt.

Zu deiner 3. Frage muss ich sagen, dass ich mir gedacht habe, das wenn der "Traum" zu schwarzen Federn zerfällt einfach im selben Moment ein Schrei ertönt, weil das zu seiner Verwandlung gehört ;-).
Muss man aber auch erstmal drauf kommen. xD

Dankeschönle,

Lg, alex
Alexandra Philippi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2007, 14:17   #4
autumn.RAIN
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 3


Hey,

die Geschichte an sich finde ich wunderschön, also vom Inhalt her und auch so.
Ja, das mit der Gitarre ist dann so ein Ding, ich finde sie passt irgendwie nicht darein, doch das ist ja deine Sache.

lg, autumn.RAIN
autumn.RAIN ist offline   Mit Zitat antworten
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