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Kolumnen, Briefe und Tageseinträge Eure Essays und Glossen, Briefe, Tagebücher und Reiseberichte. |
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28.05.2012, 20:41 | #67 |
Jeronimo
Zu meiner Schande muss ich von Dir hören: Meistens lieb und Du hast recht damit. Leider nur meistens und nicht immer. Ohne das ketzerische ist es eigentlich ganz nett mit Dir zu reden... Ist mir gar nicht aufgefallen, Thing. Ich dachte wirklich Du gingest auf alle User ein. |
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28.05.2012, 21:40 | #68 |
R.I.P.
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Liebe marlenja,
dann müßte ich ja mindestens 12 Stunden am PC sitzen und allzu viel Langweiliges oder Schund lesen! Ich wünsch Dir eine gute Nacht! Thing |
29.05.2012, 11:09 | #69 |
Danke Thing
Die hatte ich, die gute Nacht. Ja, ich habe echt gut geschlafen.
Das ist fein, andern gutes zu wünschen *freu*. |
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01.06.2012, 15:52 | #70 |
gesperrt
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Neulich hat mal ein alternder Poet ein Gedicht geschrieben über ein Land, über das man nichts Kritisches sagen darf. Da haben die Bewahrer von „Freundschaft“ und „Wahrheit“ ihre Kommentarschergen losgeschickt, um dem mal so richtig auf die Fresse zu hauen. Und natürlich hat sich ein ganzes Land empört. Über das Gedicht.
Ebenfalls neulich hat ein Massenmörder mal wieder ein Massaker angerichtet und neunzig Menschen massakriert, viele Kinder inclusive. UN-Beobachter sind dann schleunigst hin und haben die Leichenberge beobachtet, sind dann zurück in ihren Beobachtungstempel und haben den Bewahrern von Frieden und Wahrheit Bericht erstattet. Nach langen Beratungen hat man dann die Betroffenheitsmappe herausgeholt und entschieden: „Es ist schrecklich!“ Mehr war nicht drin, denn Chinas und Russlands Belustigungsskala war noch nicht voll. Aber auch Friedensbewahrer USA und Deutschland fanden keinen Grund den Betroffenheitstext noch zu steigern, oder gar militärische Überlegungen anzustellen, weil es dann noch viel schlimmer würde. Und außerdem gibt es in Syrien kein Öl. Wenn es dem Massenmörder nun gefiele, ein weiteres Massaker anzurichten, diesmal mit 900 Toten oder 9000 oder 90000 Toten, dann würden die UN-Beobachter erneut beobachten und untersuchen und die Untersuchung beobachten, und den öffentlichen Kondolenztext hochschrauben auf: „Es ist grausam!“ Aber immerhin war es kein Gedicht! Und so können wir von den Bewahrern von Frieden und Freiheit lernen: Wann immer ein Aggressor beabsichtigt, beliebig viele Menschen abzumurksen, dann sitzen alle Nationen wie ein Mann vor dem Fernseher, und die gesamte Menschheit steht auf und – beobachtet. * Was mir auf dem Klo rausfiel Die Freiheit auf dem Klo verhält sich proportional zur Anzahl der noch vorhandenen Klopapierblätter. Das dämlichste Lied bleibt dir im Gedächtnis, wenn dich in diesem Augenblick deine Liebste verlässt. Eine gute Mutter bleibt kinderlos. Chefs mit Allinclusive-Sekretärin gehen oft mit ihrer eigenen Frau fremd. Das ganze Unglück auf der Welt kommt daher, weil die Leute einfach morgens nicht im Bett liegen bleiben. Mit dem Zweiten kommt man besser. In der lauen Nacht erstrahlt für uns zwei ein Stern am Himmel: Mercedes. Ich hab zu Haus ne Muschi, die schnurrt mich täglich an. Den einzigen Reim mit „Uschi“, den bring ich hier nicht an. Die Muschi ist sehr flauschig, ihr Miauen macht mich an. So manchen Abend lausch ich, ob ich sie schnurren hören kann. Ich muss ihr Fell massieren, so oft ich eben kann. Sonst fängt sie an zu frieren und das Streunen wieder an. Jeronimo |
01.06.2012, 15:56 | #71 |
R.I.P.
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1.) makaber, wahr, treffend, ins Schwarze
2.) zum Brüllen komisch, eins besser als das andre 3.) obwohl ein überflüssiges "an" dranhängt: Herzzerreißend schön und lieb! Jeronimo, Du bist unerreichbar! Lieben Gruß von Thing |
01.06.2012, 16:35 | #72 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Die USA decken fast die Hälfte ihres Bedarfs aus eigenen Quellen, zwischen 30 und 40 Prozent beziehen sie von Kanada und Mexiko; aus den arabischen Ländern beziehen sie lediglich 14 Prozent, auf die sie leicht verzichten können. Der Spruch "Kein Blut für Öl!" bedient lediglich einen Mythos. Nach Gaucks Besuch in Isreal dürfte sich die Sache mit dem besagten Gedicht erledigt haben. Aber Du hast schon recht, Jeronimo: In der öffentlichen Reaktion auf bestimmte Vorkommnisse stimmen die Relationen nicht. LG Ilka |
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01.06.2012, 16:55 | #73 |
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Hallo Ilka-Maria,
Du hast schon recht mit den Zahlen. Der Spuch "Außerdem gibt es in Syrien kein Öl" soll nur zynisch suggerieren, dass es außer Humanität sonst keine Motivation für die Beobachter gibt. Zitat: Aber Du hast schon recht, Jeronimo: In der öffentlichen Reaktion auf bestimmte Vorkommnisse stimmen die Relationen nicht. Ja, darum ging es mir in erster Linie. Ich danke Dir! Hallo Thing, ganz lieben Dank für Dein Lob!! Jeronimo |
01.06.2012, 19:05 | #74 |
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Ich hab zu Haus ne Muschi,
die schnurrt mich täglich an. Den einzigen Reim mit „Uschi“, den bring ich hier nicht an. Die Muschi ist sehr flauschig, ihr Miauen macht mich an. So manchen Abend lausch ich, ob ich sie schnurren hören kann. Ich muss ihr Fell massieren, so oft ich eben kann. Sonst fängt sie an zu frieren und das Streunen wieder an. Wischi Waschi W uschi Wir essen gerne Sushi Ich und meine Uschi Dann lockt mich ihre M….. |
01.06.2012, 19:16 | #75 |
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Och nö!
Nu verscheißer mich doch nicht, ich bin sensibel! Gut, es gibt noch Wuschi (was immer das fürn Schweinkram ist) und Sushi. Sushi entfällt, riecht nach Fisch. Da sitze ich elf Jahre an dem Gedicht und stelle es ganz verschämt nur in diese Kolumne, und dann glaubt man auch noch, das wäre doppeldeutig. Und das von mir. Das tutet mir auch weh. Jeronimo (beleidigt) |
01.06.2012, 19:41 | #76 |
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Ich dacht, Du wärst ein Zwiebelchen
Und nicht so ein Sensibelchen So so, nach Fisch riecht dieses Sushi Und wat is mit ner alten M….. |
01.06.2012, 20:56 | #77 |
Forumsleitung
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Babs, Du bist unmöglich ... ().
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02.06.2012, 11:32 | #78 |
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Unmöglich
Ich bin Babs, der Zotenstar
Ich mache Unmögliches wahr Ich spreche aus, was Männer denken Vom Unterleib lass mich nicht lenken Dies bleibt den Männern vorbehalten Und speziell den Mittel-Alten (so zwischen 50 – 65 ) |
02.06.2012, 18:01 | #79 |
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Ja Dankeschön, Du Zotenstar.
Nu hau ma nich so auf den Putz, als wären wir alles alte Klappspaten, die mit unserem Junior denken, nur weil Dich mal einer aus Versehen angebaggert hat. Trotzdem bin ich schwer beleidigt, weil man Dich gesperrt hat, nur weil Du ein loses Mundwerk hast (in einem anderen Thread). Das macht mich schwer betroffen, weil Du ja trotz Deiner großen Klappe eine liebenswerte person bist. Ich bin traurig! Jeronimo |
07.06.2012, 16:35 | #80 |
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Bildung
Bildung
Bildung kann man immer gebrauchen. Sie sagt einem, ob man doof ist. Man darf sie aber nicht mit Intelligenz verwechseln. Intelligenz ist angeboren und anerzogen, Bildung muss man erst erwerben, man muss lernen, lesen, zuhören und RTLII vermeiden. Der Nachteil an der Bildung ist, dass man das, was man lernt, auch behalten muss. Das ist bei mir ein Problem, weil mein Gehirn selbstständig entscheidet, was ich wissen muss. Da kann ich ruhig Wikipedia auswendig lernen oder alle Klassiker lesen, mein Gehirn entsorgt das wieder. Vielleicht ist Bildung, wenn man weiß, dass es ein unterwassertaugliches I-Pad gibt, mit dem man beim Tauchen seine E.Mails abrufen kann, aber es hapert mit der Intelligenz, wenn man sich so ein Ding kauft. So richtig weiß keiner, was man wissen „muss“. Es kommt immer darauf an, wo und bei wem man sich befindet. Auf einer Party z. B. bin ich meist der Kommunikationsbestatter, weil ich nicht weiß, worum es geht. Petra zeigt stolz ihr neues Handy und hat schon über hundert feste Nummern von ihren Freunden, aber keinen festen Freund. Gerald ist gebildet und ein bisschen verheiratet oder umgekehrt. Er weiß, warum die Viagra-Nachfrage sinkt: Auswärts braucht man keine und für Daheim sind sie zu teuer. Die anderen ergötzen sich an belanglosen Fotos auf einem 5x5 Cm großen Display und haben schon den Klingelton „Furz 3“ heruntergeladen. Und fröhlich werfe ich ein: „Kommt ihr am Sonntag auch zu meiner Sackrattenausstellung?“ Keine Ahnung von Handys, Fotos und Viagra? Partyprolet! So gesehen bin ich ungebildet, kann dafür aber auf einer Astrophysikerkonferenz mitreden, das aber sind alte Daddel, abgehoben und langweilig. Bildung ist relativ wie Schönheit oder Stärke. Neulich habe ich zufällig gewusst, dass Balzac an Koffeinvergiftung starb, weil er täglich fünfzig Tassen starken schwarzen Kaffee trank. Daraufhin hielt mich jemand für gebildet. Ein Urteil wg. einer lächerlichen Information. Wäre mir in dieser Situation der Name des Forschungsministers eingefallen? Oder dass Ravel in 42 Jahren 19 Stunden Musik komponiert hat? Die Antwort lautet also: Man muss im richtigen Moment das Richtige wissen, sonst ist man zwar nicht doof, aber eben auch nicht gebildet und es fehlt einem die „geheutete Ahnung“. * Nonsensgedichte Mein Großhirn und mein Kleinhirn, die streiten manchmal auch. Dann schimpf ich: Himmel, Arm und Zwirn und denke mit dem Bauch. Mein Schatz, ich hab dich lieb, drum kauf ich dir nen Jeep. Treibst du es aber doller, dann fährst du wieder Roller! Ich hab Psychosen und noch keine Heilung errungen. Bin mit den Neurosen schon dreimal vom Hochhaus gesprungen. Ich bin ein kleiner Leut und keiner hat mich lieb. Auch dich scherts keinen Deut. Deswegen ich das schrieb. Was ist der Unterschied zwischen diesem Text und dem FC-Bayern München? Dieser Text hat einen Titel … Jeronimo |
07.06.2012, 16:42 | #81 | |
Forumsleitung
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Der Text ist unterhaltsam ... mehr: Er ist gut.
Zitat:
Insgesamt: Geistreich und sehr amüsamt. |
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07.06.2012, 20:40 | #82 |
R.I.P.
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Jeronimo in gewohnt unterhaltsamer Manier!
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07.06.2012, 23:14 | #83 |
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Und immer wieder aufs Neue erfreut man sich!
Lieben Dank dafür! Jeronimo |
14.06.2012, 16:21 | #84 |
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Ich war nur mal eben auf dem Klo, da grölt mir doch jemand ins Wohnzimmer!
Ich renne zurück und schaue auf den Fernseher. Natürlich, das ZDF, die öffentlich Hässlichen! Wieder mal ein Einspieler in Rummelplatzlautstärke für die Demenzstation! Seit ZDF-Psychologen in den Zwanziger Jahren mal im Kloster die Erfahrung gemacht haben, dass Lärm die Aufmerksamkeit erhöht, wird jeder Programmhinweis in doppelter Lautstärke gesendet, damit ich rechtzeitig das Heim-Programm verlassen kann, weil ich mich schon vorher ärgere. Und da sitzt die dicke Kiwi in einer Orangenschale auf einer Blumenwiese, hält sich die Stinkefinger vors rechte Glasauge und flötet: „Mit dem Zweiten kommt man besser!“ Natürlich, ich bin ja auch Hein Doof! Da hat die Redaktion einen Sattelschlepper gemietet, über Google Earth in der Mongolei eine Blumenwiese ausgemacht, alle dahin gekarrt, um diesen hirntoten Spot zu drehen, für die Intellektuellen unter den Hilfsschülern. Außer der Tante, die mit einer Büstenhebe gegen die Gravitation ankämpft, ist alles ein optischer Schwindel, so wie das meiste beim ZDF, außer die GEZ-Stasi. Alles wird heutzutage digital „aufbereitet“, nichts ist mehr echt außer der großen Klappe von Pofalla. Ich vermute, dass selbst in der „Küchenschlacht“, in der das Publikum unentwegt klatschen muss, weil jemand einen Rollmops auf Forelle als gemischte Fischplatte serviert, also selbst dort wird vermutlich ein Schnitzel von einem Kotelett gedoubelt. Außer Fritz Wepper. Den kann man nicht doubeln, ehe man nicht Alien IV zusammengeschraubt hat. Dafür gibt’s den aber als Bausatz bei Falke. Die Kuvertüre im Milka-Werbespot ist in Wirklichkeit Motoröl, weil es schöner aussieht, PUMA-Turnschuhe sind in Wahrheit von NIKE, und Kristina Schröder hat in der Realität einen viel größeren Dachschaden als vor der Glotze sichtbar. Es wird gefaked, gedoubelt, manipuliert, digitalisiert, gelogen und betrogen, nur damit alles in meine kleine dumme Welt passt. Und laut muss es sein! Wofür hat man sonst einen Hörgeschädigtensender? Und das ZDF tut etwas gegen den Terroristenmangel. Denn wenn ich gedankenversunken im Sofa sitze und an den Sex mit dieser traumhaften Elfe denke, und dann knallt mir jemand mit Anlauf ins Trommelfell: „Carglas repariert, Carglas baut aus!“ – dann möchte ich diese Rentnergang vom Fernsehen ermorden, meucheln, massakrieren mit einer Lust und Hingabe, wie ich sie sonst nur beim Blähen in der Fleischerei empfinde. * Das Leben Das sind die Menschen, die dir entgegenkommen, die dir folgen und zur Seite stehen, und die sich dir in den Weg stellen. Das ist die Welt, die dich in eine lärmende Kulisse aussetzt. Bau dir deine Eigene und zwinge die Welt, diese zu akzeptieren. Da ist die Natur mit ihren Farben und Gerüchen und ihrem eigenen Kosmos. Achte ihn! Das ist die Zeit, auf deren Flügeln du dich gerne schwingst, bevor du die Zeit zum Rasten erkennst. Das ist der Glaube. Hüte dich vor den Seelenfängern, die dich erretten wollen, wenn du tot bist. Sei ein Mensch und glaube an dich. Das ist die Liebe. Verschenk dich nicht an die Schönheit, sondern finde sie durch deine Liebe. Lasse keine Tränen zurück, auch nicht deine eigenen. Das sind die Worte. Verschwende sie nicht. Tue, was du redest. Folge nicht dem Geschrei. Sei still, aber schweige nicht. Das ist der Tod. Das, was du noch fürchtest, wird dir bald zum Sehnen. Suche kein Geld, kein Heim, keinen Rat, sondern jemand, der dich ein wenig begleitet, weil du ihm wichtig bist. Das bist du. Lasse die Eltern und Geschwister in ihrem Haus zurück. Bau dein Eigenes aus Wahrheit und Verstand. Und lebe. Jeronimo |
14.06.2012, 16:41 | #85 |
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Das hast Du toll geschrieben. Mach es doch wie ich: schau Dir die Sender an, wo was verkauft oder versteigert wird.
Deine neun Gebote sind vom Allerfeinsten und bestätigen in eindrucksvoller Weise den kategorischen Imperativ von Kant. |
14.06.2012, 17:11 | #86 |
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Hallo BABS,
danke Dir für Dein Lob! Also die Verkaufssender gehen mir ja noch mehr auf dem S...enkel! Das ist nur was für die ganz Harten! Und ich bin einfach zu sensibel. Danke Dir! Jeronimo |
15.06.2012, 11:14 | #87 |
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Lese ich erst jetzt. Du blähst also in der Fleischerei. Und Du empfindest dabei ein unwahrscheinliches Lustgefühl. Entfährt es Dir, wenn Du Dich bückst, um das Preisschild lesen zu können, was Dir ob Deiner Kurzsichtigkeit sonst nicht möglich wäre?
Und wie ergeht es Dir in der Bäckerei? Und was ist los in der Nähe einer offenen Flamme? Fragen, Fragen, lauter Fragen Irgendwie bleibt Unbehagen |
15.06.2012, 13:08 | #88 |
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Der "unheimliche Lustgewinn" ist mehr eine stille Freude, wenn plötzlich besorgte Kunden fragen: "Ist das Hackfleisch auch frisch?"
In der Bäckerei ergeht es mir so: https://www.poetry.de/showthread.php?t=32810 Was der nette Hinweis auf die vermutete Kurzsichtigkeit betrifft: Ich benötige nur eine Lesebrille.. Die sollen aber auch schon Leute mit Vierzig tragen. Jeronimo |
21.06.2012, 16:22 | #89 |
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Ich weiß mich nicht
Ich hab wieder meine Phase. Ich bin genervt und unzufrieden, und ich mag mich nicht. Schuld ist dieser sympathische Typ, der sich an meinen Tisch gesetzt hat, an der Raststätte Schwanewede. Acht Stunden habe ich von Oberstdorf gebraucht, durch Staus und Baustellen und Blitzer. Und alles nur, um ein Dreißigminutengespräch in Cuxhaven mit meinem Sohn zu führen und mich im Schlossparkcafé vom provinziellen Mief deprimieren zu lassen. Aber soweit ist es ja noch nicht. Während ich meinen Kaffee trinke, denke ich über die Fahrt nach, denn ich weiß nicht, wie ich von Kassel nach Hannover gekommen bin. Ich weiß nur, dass ich in dieser Zeit über einen Text nachgedacht habe, und kann mich zum Verrecken nicht mehr an die Fahrt erinnern. Und nun setzt sich dieser Typ an meinen Tisch und entschuldigt sich deswegen. „Ich habe Ihr Foto im Auktionskatalog gesehen, deshalb spreche ich sie an. Sie handeln doch mit Briefmarken?“ „Ja.“ Das ist schon gelogen. Richtig ist, ich lasse handeln. Eigentlich zumindest. Bei mir ist alles eigentlich. Eigentlich programmiere ich absoluten Stuss fürs Militär. Eigentlich. Wenn ich denn Lust habe. Eigentlich schreibe ich unter vielen Kürzeln viel Mist. Eigentlich fahre ich ganz wichtig durch die Gegend und erledige mein Leben in drei Tagen. Eigentlich bin ich verheiratet, lebe aber allein. Und wenn man mich mit einer Frau sieht, ist es meistens meine eigene. Eigentlich habe ich einen erwachsenen Sohn, der mich hasst, weil ich seine Mutter verlassen habe. Eigentlich suche ich immerzu und weiß nicht was … Und nun fachsimple ich mit dem Mann, dessen Name ich –natürlich- vergessen habe. Und dann möchte er meine Handynummer, und ich weiß sie nicht. Ich könnte ihm eine Karte geben, aber ich brauche jetzt meine Nummer. Und dann versuche ich umständlich, die Funktionen auf dem Handy aufzurufen, um sie zu finden. Und resignierend gebe ich ihm mein Handy. Er tippt drei- viermal auf den Tasten und hat sie. Als kleiner Junge besuchten meine Eltern und ich jedes Jahr im Frühjahr meine Cousine, die an einer Knochenkrankheit litt. In der Vitrine im Wohnzimmerschrank stand wie immer ein großer Weihnachtsmann, der nach der Bescherung hier ausgestellt wurde. Ich habe nie verstanden, warum, aber den wollte ich immer haben. Daran erinnere ich mich, aber nicht an meine Handynummer. Straßennamen behalte ich nicht, Adressen vergesse ich, aber die 62. Stelle nach dem Komma in der Zahl PI, die weiß ich. Ich kann mich nicht an einen einzigen Kindergeburtstag erinnern. Und wenn ich mich an das Gesicht meiner Mutter erinnere, dann weint sie und trinkt. Wo sind all die Jahre in meinem Kopf? Wenn ich nachdenke, fällt mir das Summen von Telegrafenmasten ein, das in die Sonne schauen, auf dem Rücken liegend, das Fußballspielen mit Kindern, aber nicht ihre Namen. Was habe ich 1972 gemacht? Ach ja, Bundeswehr. 1983? Ich weiß es nicht. 1997? 2003? Ich weiß nicht, ich müsste lange nachdenken. Mein Gott, was weiß ich bloß noch? Ich verwechsle ständig Robert de Niro mit Jack Nicholsen, Toyota mit Nissan, Kombizange mit Wasserpumpenzange, und lila, pink und violett bringe ich unentwegt durcheinander. Stattdessen denke ich farblich in ultramarin, zinnober und, smaragdgrün und ockergelb, weil das Briefmarkenfarben sind. Wie viele Bücher habe ich gelesen? Gefühlt Tausende, aber welche Inhalte sind mir geblieben von „Haus ohne Hüter“, „Der Himmel kennt keine Günstlinge“ oder „Das Schlimmste kommt noch“ (Bukowski)? Selbst die Titel fallen mir nicht ein, erst wenn ein Anderer sie nennt, klingelt es. Wo will ich hin, was mache ich da, und warum fahre ich dann wieder weg? Warum will ich allein sein, wünsche mir dann aber jemanden, aber ich weiß nicht wen. Ich will meine Ruhe, das steht fest, und doch soll sie jemand kaputtmachen. Bin ich unstet, unverlässlich, ein Hallodri? Ich glaube nicht, aber weiß man das? Meine Frau hält mich für verantwortungsvoll und zuverlässig, aber warum habe ich dann so viele Nester, zu denen ich fliehe? Warum sitze ich dann auf meiner Insel in einer alten Schule und freue mich auf Sturm? Bin ich bekloppt? Warum will ich nicht zum Grillen und betrinke mich lieber mit meinem Freund Hermann, dem Quartalssäufer, der bald sterben wird? Warum sitze ich stundenlang auf einem Boot, friere mir den Arsch ab, kein Fisch beißt, und ich singe im strömenden Regen? Ich bin bekloppt! Schön, dass ich das weiß. Nun wird alles gut. Weiß ich, was ich will? Nein, aber ich weiß, was ich nicht will! Bin ich glücklich? Manchmal, wenn ich es mit dem Sport wieder übertrieben habe und wieder ins Seehospital muss, dann sehne ich mich nach diesen Momenten, in denen ich hetze, um Termine zu schaffen. Also muss ich jetzt glücklich sein. Ich glaube, ich habe Angst, zu vergessen. Ich zweifle an den Dingen, die mein Kopf für wichtig hält. Ich verstehe das Prinzip des Gehirns nicht. Warum erinnere ich mich an völlig belanglose Dinge, aber nicht an einen beliebigen Heiligabend in meiner Kindheit? Oder an meine Scheiß Handynummer. Warum muss ich unentwegt Dinge lesen, um an Informationen zu kommen, die ich bereits vor Jahren hatte? Warum weiß ich nicht mehr den Text von „Let it be“? Stattdessen könnte ich diesen Blödsinn von „Connie Kramer“ mitsingen. Was soll das? Ist das Normal? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie mein eigenes Gehirn funktioniert. Ich weiß eigentlich nicht, wer ich bin. Ich weiß nichts von mir. Ich lausche durch die Nächte und kleide mich mit Dunkelheit. Mein Glück ist hinter geschlossenen Augen, so weit weg von mir. Wohin ich auch gehe, es ist schon jemand vor mir da. Ich warte, dass mir die Zeit geliebte Gesichter zurück bringt. Auf deiner nackten Haut möchte ich mein Sehnen wiederfinden. Ich will mich mit Glück betrinken, aber es ist nur Rotwein. Jeronimo |
21.06.2012, 16:38 | #90 |
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Das hast Du sehr schön beschrieben und ich glaube die Wurzel des Übels erkannt zu haben.
Das hängt alles nur mit Deinem Stuhlgang zusammen. Bussi Bussi Babsi |
21.06.2012, 16:44 | #91 |
R.I.P.
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Das stimmt mich nicht nur nachdenklich, sondern traurig und wehmütig.
Als hättest Du mich (mit)beschrieben. |
21.06.2012, 17:27 | #92 |
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Hallo Babs,
Du hast mich wieder wieder aufgemuntert! Und Du könntes Recht haben. Vielleicht sollte ich mal wieder aufs Klo gehen. Ich danke Dir für die unentgeltliche Hilfestellung! Hallo Thing, es war nicht meine Absicht, Dich traurig zu machen. Meistens schreibe ich ja hier Nonsens, aber man ist nicht immer gut drauf. Und oft schreibe ich es so, wie es mir hochkommt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Dir ähnlich geht. Es ist doch auch schön, wenn man Begleiter hat, denen es ebenso geht. Es verbessert zwar nicht die eigene Lage, aber es bringt eine Art psychologischen Beistand. Auch Dir lieben Dank! Jeronimo |
21.06.2012, 17:33 | #93 |
R.I.P.
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Zum Glück dauern meine melancholischen Anwandlen nie lange Zeit!
Und es stimmt: Es tut gut, sich begleitet und verstanden zu wissen. Lieben Gruß! Thing |
23.06.2012, 12:15 | #94 |
Deine Art zu schreiben macht dich irgendwie sympathisch. Dabei ist es ganz egal ob die Geschichten von dir lustig, komisch, nachdenklich oder traurig sind. Ich lese sie eigentlich immer gern.
Irre Grüße |
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23.06.2012, 12:36 | #95 |
R.I.P.
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23.06.2012, 13:24 | #96 |
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Ich bin weich in meiner Birne
Irre bin ich noch dazu Und es flüstern die Gestirne Mädel, bist ne blöde Kuh Darob fang ich an zu heulen Rotze läuft mir aus der Nase Ralfi schlägt mir jetzt zwei Beulen Er nennt das Erziehungsphase Wieder bei mir angekommen Irre lachend knie ich nieder Aller Ärger ist verronnen Gummizelle hat mich wieder |
23.06.2012, 16:22 | #97 |
Ich kenne Jeronimo nicht persönlich, daher rede ich hier nur von seinen Texten.
Das ist sicher erlaubt. Danke für deinen tollen Beitag Babs. Irre Grüße |
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23.06.2012, 16:48 | #98 |
gesperrt
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Hallo WUI,
ich danke Dir ganz aufrichtig für Deine Sympathie. Das "irgendwie" interpretiere ich so, dass mir das häufige Lästern und Stänkern irgendwie verziehen wird. Es ist doch schön, wenn man durch seine Geschichten beurteilt wird, was wir eigentlich alle wollen. Das machen wir (ich) uns aber wieder kaputt durch unsere nicht immer sachliche Stellungnahme, z.B. bei religiösen Fragen oder bei Werken, die absoluter Dünnpfiff sind. Da verspielt man wieder alles, aber man ist halt so, wie man ist. Hallo Thing, in den Foren ist man immer nur ein anonymer Jemand, eigentlich ein Niemand, eine Vorstellung, ein Begleiter im Geiste, auch wenn ich mich in der Kolumne autobiographisch oute, was meine Schwächen betrifft. Dennoch finde ich, entstehen auch auf dieser Ebene Sympathien und Freundschaften, die man auch nicht durch gelegentliche konträre Meinungen untereinander verbergen kann. So bist Du mir also ein guter Freund. Manchmal brauche ich viele Wörter, um eines auszusprechen. Liebe Babs, Du bist mir auch ein Freund, zumindest geistig, ich unterscheide da nicht geschlechtlich, denn Freund ist Freund. Ich liebe Deinen Humor und Deine große Klappe und deshalb bitte ich Dich herzlich: Bitte nicht provozieren, damit Du nicht erneut gesperrt wirst. Ich denke nämlich, der gute Ralfchen hat seine jetzige Sperre provoziert. Ich leide darunter, wenn Menschen gehen, die ich mag. Jeronimo |
23.06.2012, 16:57 | #99 |
Das irgendwie war zumindest in keinster weise negativ gemeint.
Ich ziehe mich hier besser zurück, damit die Spottdrosseln nicht wieder aus langweile über mich kommen. Irre Grüße |
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