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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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02.05.2024, 16:27 | #1 |
feldpost. nouvelle-aquitaine
ich ahn, wohin der mutter bruder fuhr
heut lässt sich leichthin über seiten surfen mit links ein blick auf weitere winkel werfen bis sich entschleiert eines wegs kontur nicht weine, schlösser, fernen meers azur ernüchterung lässt mich in tieferem schürfen als wollten mich vergessene geister nerven die wegweiser mancher verwehten spur bordeaux, die stadt am meer, ist frankreich pur schrieb er im fahrn, und dass sie münzen würfen um austern oder anderes salz zu schlürfen da stößt sein kumpel ihn und jammert nur dass sie hier wieder nicht links fahren dürfen dort steht cognac. rechts geht`s nach oradour |
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02.05.2024, 17:47 | #2 |
Hallo Epi
Oh spannend, erstmal das Reimschema finde ich interessant!
Je nachdem, wie eng man es fasst, lassen sich surfen/werfen und schürfen/nerven gut zusammenpassend lesen, aber der kleine klangliche Unterschied, strophenübergreifend passend, macht auch viel her. Und dass die Terzette mit würfen/schlürfen/dürfen auch dicht dran sind, aber eben nicht ganz, das ist cool Ich mag deinen Art, die Sprache zu verwenden! Inhaltlich muss ich eingestehen, brauche ich noch kurz. Es hat etwas mit Krieg zu tun, verstehe ich das richtig? ich kann es im Moment nur an der Feldpost festmachen, aber deine Zeilen machen Lust, tiefer einzutauchen! Soviel erst einmal Liebe Grüße Delf |
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02.05.2024, 18:07 | #3 |
Forumsleitung
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Absolut richtig. Oradour, wie der Ort richtig heißt, wurde im Frühsommer 1944 von Soldaten der deutschen Wehrmacht erbarmungslos heimgesucht. Etliche hundert Dorfbewohner wurden getötet, kaum einer entkam. So hat jeder Krieg sein Butscha - manche Kriege haben davon sogar viele.
Ein französischer Kinofilm mit Romy Schneider und Philippe Noiret hat dieses Thema verarbeitet. Er heißt "Le vieux fusil" ("Das alte Gewehr") und war in Deutschland lange unbekannt, weil sein Verleih verboten wurde. So viel zur künstlerischen Freiheit und dem Recht auf Meinung. Inzwischen ist der Film verfügbar, allerdings unter dem dämlichen und irreführenden Titel "Abschied in der Nacht". Die Scham über dieses sinnlose Massaker scheint in den Deutschen, die darüber Bescheid wissen, noch immer tief zu sitzen. Falls es interessiert, hier ist der Film auf youtube zu sehen (unter dem Titel "The Old Gun") aber in deutscher Synchronisation: https://www.youtube.com/watch?v=Se-plldXrcM LG Ilka |
02.05.2024, 19:56 | #4 |
Ups
da ist mir doch tatsächlich ein "u" zuviel hineingerutscht.
Lieber Anaxi, liebe Ilka, vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Der ältere Bruder meiner verstorbenen Mutter fiel am 16. Juni 1944 bei St. Lo in der Normandie, nachdem er vorher einige Monate in der Nähe von Bordeaux stationiert war und nach der Invasion der Alliierten in Windeseile nach Norden verlegt wurde. Im Internet ist es heute möglich, den Weg verblüffend akribisch nachzuverfolgen, bei dem Oradour wie von Ilka erwähnt auf der Strecke lag, was zumindest Anlass zu Spekulationen gibt. Die Feldpostbriefe meines Onkels habe ich sozusagen geerbt und bewahre sie weiterhin in ein paar verstaubten Zigarrenkisten auf. Der Satz über Bordeaux ist der einzige, der darin ungefähr so vorkommt, alles andere ist "dichterische Freiheit", die mir aber nicht leichtfällt. Was das Ganze mit unserer Gegenwart zu tun hat - hm? Noch was zum Reimschema: Das ist, wie so häufig bei mir, an Stephane Mallarmé orientiert - ich hab da ziemlich einen an der Waffel, aber es ist für mich die beste Möglichkeit, meine verwundenen Gedanken einer Ordnung und Struktur zu unterwerfen. Einen schönen Abend wünscht euch Epilog |
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02.05.2024, 20:09 | #5 | |
Forumsleitung
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Ich hab's rausgenommen, jetzt steht es richtig da.
Zitat:
[QUOTE]Nichts. Geschichte wiederholt sich nicht. Viele Menschen wiederholen Fehler, weil sich sich nicht gewahr sind, wie oft diese Fehler schon gemacht wurden. Sie lernen aus diesen Fehlern, immer wieder. Aber das hat nichts mit dem Fortlauf der Geschichte zu tun. Viele alte Fehler werden nicht mehr gemacht, dafür aber neue. Das ist völlig normal. |
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03.05.2024, 03:08 | #6 | |||
Guten Morgen
Zitat:
Zitat:
Deine Zeilen finde ich super umgesetzt, ich konnte es vorhin noch nicht richtig in Worte bringen, aber was ich interessant finde und mir sehr positiv aufgefallen ist, in deinen Worten liegt eine Schwere, ohne dabei schwer zu sein, sie sind sogar mehr leicht, fast schwebend und ohne den Teil feldpost im Titel, hätte ich ,wenn überhaupt, erraten können, dass es um Krieg geht Eine sehr schöne Be/Verrarbeitung von etwas, das sich kaum einfach wegschieben lässt, mich zumindest sehr beschäftigen würde Zitat:
Stephane Mallarmé sagt mir zwar noch nichts, aber ich kann es gut nachvollziehen - und habe eine ähnliche Erfahrung gemacht, in einigen Spielereien mit der teils sehr strikten Struktur, bin ich ehrlicher mit mir gewesen als irgendwo sonst, habe Wunden offengelegt, die ich so erst kennengelernt habe und meine eigene verwundete Seele ein wenig aus ihrem Panzer holen Liebe Grüße und einen schönen Morgen euch beiden Delf |
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03.05.2024, 08:10 | #7 |
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.648
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Hallo Epi
... ja, auch mich machte die Feldpost neugierig.
Das letzte Wort stach mir voll ins Herz. Das LI findet Feldpost seines Ahnen und muss feststellen, dass dieser höchstwahrscheinlich an Kriegsverbrechen beteiligt war. Das schmerzt. Übrigens, Oradour ist aufgeklärt, Butcha noch lange nicht. wsT dT |
03.05.2024, 09:24 | #8 | |
Hallo dunkler Traum
Zitat:
Übrigens habe ich da auch irgendwo gelesen, dass sehr viele der beteiligten "einfachen" Soldaten in den Tagen darauf an den Stränden der Normandie gefallen sind. Von den verantwortlichen "höheren Rängen" hat man später die meisten eindeutig identifizieren können (siehe Deine Anmerkung oben) - inwieweit sie tatsächlich "zur Verantwortung gezogen" wurde, ist mir nicht bekannt (müsste ich mal detaillierter nachrecherchieren - ich fürchte Schlimmes ...). @ Anaxi/Delf: Vielen Dank für Deine freundliche Kommentierung. Man kann sich übrigens auch die Ruinen von Oradour selbst als Mahnmal anschauen. Als ich vor 15 Jahren mal im Limousin war, habe ich das aber aus irgendwelchen Gründen nicht geschafft. Vielen Dank und einen schönen Tag Epilog |
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