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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft. |
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18.10.2022, 22:19 | #1 |
Ich war Student...
Ich war Student (Philosophie),
meist scharf auf schöne Frauen, sah einen Engel vor mir gehn am Abend, einem lauen. Ihr Nacken hatte Form und Maß, die Taille: ein Entzücken! Ihr praller Hintern würde mich in Ewigkeit beglücken. Ganz kurz erstarrte ich zu Stein, begann dann schwer zu schnaufen. Doch sehr schnell stand mein Entschluss fest: Werd‘ hinter ihr herlaufen! Ich muss sie einholen, ich muss ins holde Angesicht ihr sehen. Ich muss ihr meine Liebe doch, mein bebend‘ Herz gestehen! Ich lief und lief, es kam mir vor, als käm‘ ich ihr nicht näher. Ich holte aus mit weitem Schritt, und dieser, schiens, ward zäher. Ich rief: „Oh Holde, warten sie! Ich möcht‘ sie nicht verschrecken! Sie konnten im Vorbeigehn schon bei mir Gefühle wecken!“ Da blieb sie stehn und drehte sich. Ich bremste meine Schritte. Und stand vor ihr. Und sah sie an. Sie sprach: „Um was geht’s, bitte?" Ich starrte in ihr Angesicht: Wie hässlich war die Alte! Zahnlos ihr Mund, das Auge blind. Viel Schorf und Grind und Falte! „Oh sorry“, so entfuhr es mir, „ich sah sie nur von hinten. Ich bitte um Entschuldigung, ich werde gleich verschwinden!“ Ich drehte auf dem Absatz mich, um stracks davon zu kommen. Und doch – gelang mir nicht ein Schritt, als wäre ich benommen, als wäre ich hypnotisiert: So stand ich da wie blöde. Und eine Kraft drehte mich um: Vor mir: das Weib, die Kröte! „Wer bist denn du?“, entfuhr es mir, „sags mir, du Runzeldame!“ Sie lachte trocken: „Ja, ich bins! Und Wahrheit ist mein Name!“ |
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19.10.2022, 08:29 | #2 | |
Hallo Ottilie,
klasse Gedicht, mit kleinen Schwächen, z.B. hier: Zitat:
LG DieSilbermöwe |
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19.10.2022, 09:41 | #3 | ||||
Forumsleitung
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Guten Morgen, Ottilie,
Silbermöwes Kritik ist gnädig ausgefallen, zu gnädig, wie ich meine. Denn das Gedicht hat gewaltige Schwächen. Es hat Redundanzen, die es langatmig machen, sollte also gekürzt werden. Diese Langatmigkeit steht nämlich dem Inhalt diametral gegenüber, der einen Augenblick des "coup de foudre" und schnellen Entschlusses schildert und daher mehr Tempo ("Kurzatmigkeit") erfordert. Rhythmisch kommt das Gedicht oft aus der Spur, und viele Begriffe hätte man eleganter wählen können. Zitat:
Zuerst erstarrte ich zu Stein, begann dann, schwer zu schnaufen, denn prompt stand meine Absicht fest, ihr hinterher zu laufen. Zitat:
Zitat:
Ich lief und lief mit weitem Schritt, doch kam ihr kein Stück näher, mein Herz schlug wild im Takte mit und trieb mich umso zäher. Zitat:
Dabei will ich es belassen. Mir scheint, das Gedicht ist ziemlich schnell runtergeschrieben worden, wie eine Blaupause, um ein Bild (oder eher ein balladeskes Szenarium) festzuhalten. Es sollte editiert werden. LG Ilka |
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19.10.2022, 20:21 | #4 |
Hallo Silbermöwe und Ilka-Maria,
danke fürs Lesen und Kommentieren! Ich kann allerdings – bis auf wenige Punkte, die Ilka–Maria anführt– nicht viel mit der Kritik anfangen. Füllwörter: gehören zur Sprache, machen sie elastisch; man zähle mal die Füllwörter bei Th. Mann… Diese Fassung gerät voll aus dem Rhythmus: Zuerst erstarrte ich zu Stein, begann dann, schwer zu schnaufen, denn prompt stand meine Absicht fest, ihr hinterher zu laufen. - es liegt wohl an dem überflüssigen Komma. Wie kann der Student wissen, dass die Frau ein „holdes“ Gesicht hat? Ja, er hat sie von hinten gesehen und kann gar nix anderes vermuten. Die Aufeinanderfolge von „kam“ und „käme“ ist kritikwürdig, ich denke drüber nach. Ein „zäher“ Schritt stellt sich z.B. im Wüstensand, im Wasser oder nach einem Schlaganfall ein… Die Länge des Gedichtes? Nun ja, es ist lang, aber muss alles so kurz sein wie eine SMS? Ich lebe nicht in dieser Zeit… Vielleicht noch ein Wort zum Grundgedanken: Wenn die Philosophie die „Liebe zur Wahrheit“ (oft auch Weisheit) ist, die Wahrheit aber ein hässliche wäre, wie könnte es dann überhaupt Philosophen geben? Wer könnte Hässliches lieben? Nietzsche wurde mal gefragt, wie er sich denn die Wahrheit vorstelle. Er soll gesagt haben, sie gleiche einem alten, runzligen Weib. Wenn dem so ist – und ich glaube, die meisten Wahrheiten sind nix Schönes – stünde „Philosophie an sich“ zur Disposition. Viele Grüße Ottilie |
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19.10.2022, 21:35 | #5 |
Forumsleitung
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Na ja, ob es hier um Wahrheit geht, weiß ich nicht. Es geht wohl eher um eine Momentaufnahme, und zwar um eine subjektive Wahrnehmung.
Meine Kritik scheint ins Leere gelaufen zu sein, aber auch das ist okay. Wer mordet schon gerne sein Baby? Das eigene Kind ist halt immer schön, auch wenn Außenstehende das anders sehen. Das eigene Produkt in Frage zu stellen ist schmerzhaft, und um Schmerzen zu vermeiden, muss man es verteidigen. Damit vergibt man allerdings Chance, seine wahre Schönheit herauszuschälen und ihm zu wahrem Glanz zu verhelfen. |
20.10.2022, 11:24 | #6 |
Hallo Ilka-Maria,
nicht so schnell mit der Urteilsverkündung, eine ältere Frau ist keine D-Zügin! Ich versuche die Einwände zu beherzigen, brauche aber ein wenig Zeit für die Überarbeitung... Kann man hier überhaupt noch Korrekturen anbringen, oder geht das nur für eine kurze Zeit? Viele Grüße Ottilie |
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20.10.2022, 11:38 | #7 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Überarbeitungen können im selben Faden angefügt werden, oder man macht einen neuen Faden auf, stellt die Neuversion dort ein und ergänzt sie mit einem Link zur Erstversion, damit der Leser eine Vergleichsmöglichkeit hat. |
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20.10.2022, 20:27 | #8 |
Ich war Student...(Neufassung)
Ich war Student (Philosophie)
und scharf auf schöne Frauen, sah einen Engel vor mir gehn am Abend, einem lauen. Ihr Nacken hatte Form und Maß, die Taille: ein Entzücken! Ihr praller Hintern würde mich in Ewigkeit beglücken. Nur kurz erstarrte ich zu Stein, begann auch schwer zu schnaufen. Doch sehr schnell stand mein Handeln fest: Werd‘ hinter ihr herlaufen! Ich muss sie einholen, ich muss ins holde Angesicht ihr sehen. Ich muss ihr meine Liebe doch, mein bebend‘ Herz gestehen! Ich lief und lief, und doch schien’s mir, ich könnt‘ sie nie einholen. Der Schweiß brach aus den Poren und es brannten die Fußsohlen. Ich rief: „Oh Holde, warten sie! Ich möcht‘ sie nicht verschrecken! Sie konnten im Vorbeigehn schon bei mir Gefühle wecken!“ Da blieb sie stehn und wandte sich. Ich bremste meine Schritte. Und stand vor ihr. Und sah sie an. Sie sprach: „Um was geht’s, bitte?" Ich starrte ihr ins Angesicht: Wie hässlich war die Alte! Zahnlos ihr Mund, das Auge blind. Viel Schorf und Grind und Falte! „Oh sorry“, so entfuhr es mir, „ich sah sie nur von hinten. Ich bitte um Entschuldigung, ich werde gleich verschwinden!“ Ich drehte auf dem Absatz mich, um stracks davon zu kommen. Und doch – gelang mir nicht ein Schritt, als wäre ich benommen, als wäre ich hypnotisiert: So stand ich da wie blöde. Und plötzlich stand sie mir im Weg, das alte Weib, die Kröte! „Wer bist denn du?“, entfuhr es mir, „sags mir, du Runzeldame!“ Sie lachte trocken: „Ja, ich bins! Und Wahrheit ist mein Name!“ |
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21.10.2022, 13:19 | #9 |
Dabei seit: 02/2021
Ort: mit beiden Beinen in den Wolken
Alter: 60
Beiträge: 1.643
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... ja, das Thema hast du gut erwischt. Aber auch ich würd es mir kürzer wünschen.
wünsche schöne Träume |
21.10.2022, 15:31 | #10 |
Länge...
Hallo Dunkler Traum,
freut mich, wenn Du durchgehalten und das Epos bis zum Schluss gelesen hast! Es ist so eine Sache mit den "Längen" literarischer Werke (meine sind "Unwerke", gehören also nicht dazu): Hätte Goethe seinen Faust nicht bissel kürzen können? Musste Th. Mann uns mit Schachtelsätzen über tausende von Seiten quälen? Oder erst mal die Musiker: Reicht es nicht, eine Ouvertüre zu komponieren? Warum hängen die da noch ne ganze Oper dran? Wieso kann man eine Sonate nicht als Drei-Minuten-Stück bieten, warum folgt ein Satz auf den anderen, mit Durchführung, Variation, Zweitthema und Reprise? Ja, finde einer eine Antwort... Ich nehme mir die Kritik zu Herzen und handle das Thema "Wahrheit" gleich mal ganz kurz ab. Der Titel steht schon fest, er lautet "Hochzeitstag". Viele Grüße Ottilie |
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21.10.2022, 16:27 | #11 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Die Frage sollte aber anders gestellt werden: Ist die Länge eines Werks notwendig, um dem Leser möglichst genaue Bilder über Konflikte und deren Lösungen sowie über die Charaktere seiner Figuren zu vermitteln? Oder geht es dem Autor nur darum, mittels Redundanzen Zeilen zu schinden und die vom Verlag geforderte Seitenmenge abzuliefern? Gegen Länge ist an sich nichts einzuwenden, wenn Handlungsabfolge und Genauigkeit dies erfordern. Ich meine jedoch, dass dein Gedicht einige Verse aufweist, die verzichtbar sind bzw. verschmolzen werden könnten. Es ist wert, darauf geprüft zu werden. LG Ilka |
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