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30.06.2022, 07:44 | #1 |
Eine Tippse sinniert
Gestern Abend sahen wir uns den Spielfilm „Madame Populaire" an, eine französische Komödie, in der es, kurz gesagt, um die Meisterschaften im Maschinenschreiben in den 50er Jahren (damals alles noch mechanisch) und um die Liebe geht. Ein bezaubernder Film mit einigen Längen, der gegen Ende hin erst spannend wird (jedenfalls mein Eindruck).
Ich habe in den 80ern auf einer mechanischen Schreibmaschine das Maschinenschreiben mit Zehn-Finger-System erlernt. Erst in einem Kurs, später in der Berufsschule für Apothekenhelferinnen, dann das Gleiche nochmals in der Schule für Sekretärinnen, nachdem ich mich für diesen Beruf entschieden hatte. Man kann also sagen, dass ich es von der Pike auf gelernt habe. In der Schule für Sekretärinnen kam Steno dazu. Den Film habe ich mir aus beruflichem Interesse angesehen. Heute stöberte ich im Internet, um etwas über den Film zu finden und fand ein Interview mit dem Regisseur, in dem er die Frage, ob er selbst mit zehn Fingern tippen könne, bejahte und weiterhin erzählte: Zitat: „[...]Ich habe mich mit Weltmeisterinnen und Weltmeistern getroffen, denn es gibt nicht nur Frauen, sondern auch Männer, die das praktizieren. Dabei habe ich habe gemerkt, dass es ein echter Sport ist. Wir haben dann junge Frauen gesucht, die mit zehn Fingern tippen können. Wir sind bei den Stenotypisten fündig geworden, die ja Klaviaturen benutzen und dafür das Zehn-Finger-System gelernt haben.[...]" Zitatende. Quelle: https://www.welt.de/kultur/kino/arti...lle-wurde.html) Aha??? Ich habe Steno und Maschinenschreiben gelernt, aber nie eine Klaviatur benutzt. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mal, was in dem Zusammenhang überhaupt gemeint ist. Im Film gewinnt die (fiktive) Hauptdarstellerin mit 512 Anschlägen. Ich habe noch einen Artikel gefunden, nicht über den Film, sondern über eine Weltmeisterin im Maschinenschreiben, Lore Alt, aus Stuttgart, die 592 Anschläge in der Minute schrieb und 1955 ihren ersten Weltmeistertitel im Schnellschreiben gewann. Quelle: https://www.t-online.de/unterhaltung...bmaschine.html Auf meinem Zeugnis aus der Sekretärinnenfachschule stehen im Maschinenschreiben 245 Anschläge. Das war am Anfang meiner Karriere und ist nicht halb soviel wie das, was die Weltmeisterin schaffte, die insgesamt vier Weltmeistertitel holte, die erste internationale Trophäe 1955 in Monaco. Heute bin ich vermutlich schneller als 245 Anschläge in der Minute, nach Jahren der Berufserfahrung und am Computer sowieso. Aber ganz sicher unter 400 Anschläge. Komisch, in der Schule für Sekretärinnen wurde uns nie etwas über die Weltmeisterschaften im Maschinenschreiben erzählt, das wäre doch ein riesiger Ansporn gewesen. Vermutlich wusste die Direktorin das selbst nicht; so einfach wie heute mit einem Klick konnte man sich damals nicht informieren. Zugegeben: Das alles kann wirklich nur eine Tippse interessieren. |
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30.06.2022, 07:59 | #2 |
Forumsleitung
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Na ja, das sehe ich eher skeptisch. Ich schaffe locker bis zu 400 Anschlägen pro Minute, habe aber neben diesem Fingersport noch gefühlte einhundert andere Interessen, die mein Gehirn ganz anders fordern.
Und außerdem habe ich ein Problem mit dem Begriff "Tippse". Als ich achtzehn Jahre alt war und mich als Sekretärin für den Chef der Verwaltung eines Kosmetikunternehmens verdingt hatte (vielleicht erinnernt sich noch jemand an die Marke "Jade"), wurde ich auf Anfrage an den Leiter der Marketing-Abteilung ausgeliehen, weil dessen Sekretärin sich als krank abgemeldet hatte. Ich wurde vorstellig, fand sein Büro leer, hörte ihn aber im Nebenzimmer zu einem Mitarbeiter sagen: "Ich habe mir eine Tippse bestellt." Als er reinkam und sich gewahr wurde, dass ich das mitgehört hatte, entschuldigte er sich mit einem Katzbuckel. Er war sich also der Erniedrigung, die in diesem Wort lag, bewusst. Jedoch ging ich davon aus, dass diese Kinderstubenhöflichkeitsgeste nichts über seine wahre Gesinnung verriet, geschweige denn, daran etwas geändert hätte. Für ihn waren Frauen nur Brennstäbe. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Dieser Gender-Scheiß ist der Klebstoff, der dieses Denken zusammenhält. Man stülpt den Frauen neue Sprachmuster über, bezahlt sie aber immer noch schlecht und tritt ihnen in den Arsch, wenn sie über achtundzwanzig sind. Wo sie per Qotenregelung reinkommen, können sie sich auf ein Spießroutenlaufen einstellen, denn dass eine Frau nichts auf die Reihe bekommt, steht von vornherhein fest. Bleibt die Frage, warum "frau" sich das überhaupt noch antut, anstatt gleich Nonne zu werden und einen Kräutergarten zu pflegen. |
30.06.2022, 08:24 | #3 |
Hallo Ilka,
ich dachte mir, dass dich der Beitrag interessiert dass ich vermutlich keine 400 Anschläge pro Minute heutzutage schaffe, habe ich noch ergänzt, ehe ich deinen Kommentar gelesen hatte. Mit dem Begriff „Tippse" hatte ich nie ein Problem, obwohl mich nie jemand so genannt hat. Ich finde ihn nicht erniedrigend. Meine Kolleginnen mögen das Wort allerdings auch nicht. LG DieSilbermöwe |
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30.06.2022, 08:45 | #4 |
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Zu recht. Wer zur Tippse" degradiert wird, steht nicht auf Augenhöhe mit ihrem Arbeitgeber.
Ich hatte das Glück, die letzten zwanzig Jahre meines Berufslebens mit einem Wirtschaftsanwalt zusammenzuarbeiten - nicht für ihn, sondern mit ihm - der mich auf Augenhöhe behandelte und mir auch bei unserem einzigen Zusammenstoß entgegenschleuderte: "Ich brauche Sie doch!" Wertschätzung erfuhr ich von ihm jeden Tag. Und da saß ich auch manchmal bis tief in die Nacht, um die Protokolle und Verträge zu schreiben, die von den Verhandlungsparteien verhackstückt wurden. Tippen gehört zum Handwerkt. Aber deswegen wird man nicht zur "Tippse". |
30.06.2022, 12:19 | #5 |
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Soweit ich weiß, liegt der derzeitige Weltrekord bei über 950 APM.
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30.06.2022, 13:21 | #6 |
Derzeit aber sicher mit Computer. Die damalige Weltmeisterin schaffte die 592 Anschläge auf einer mechanischen Schreibmaschine, wo man noch richtig Kraft zum Tippen brauchte.
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30.06.2022, 13:46 | #7 |
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30.06.2022, 14:23 | #8 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Als Ende der 60er die IBM-Kugelkopfmaschinen Einzug fanden, war das für uns "Tippsen" ein Traum. Offen gesagt kommt es mir ziemlich krank vor, aus derTipperei einen Sport zu machen und daran eine Messlatte anzulegen. Das ist genauso dämlich wie die Meisterschaften im Handy-Weitwurf. Auf so etwas kann man nur in Gesellschaften kommen, in denen es vor lauter Wohlstand langweilig geworden ist. |
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30.06.2022, 14:25 | #9 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe Silbermöwe,
Klaviatur erklärt sich fast von selber - es ist die Gesamtheit der Tasten eines Klaviers. Wie viele Noten ein Star-Pianist pro Minute schafft, weiß ich nicht (einmal habe ich es gewagt, einen großartigen Pianisten zu fragen, wieviel Noten das soeben gespielte Stück hat. Seine Antwort: "Keine zuviel und keine zu wenig!" "Tippse" ist herabwürdigend. Was wäre ein guter Chef ohne seine Sekretärin? Liebe Grüße, Heinz |
30.06.2022, 14:30 | #10 |
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Und hier ein Klassiker von Jerry Lewis zum Thema:
https://www.youtube.com/watch?v=gh5zjxsCcOs |
30.06.2022, 17:39 | #11 | |||
Hallo Ilka,
Zitat:
Zitat:
Zitat:
LG DieSilbermöwe |
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30.06.2022, 17:44 | #12 | |
Lieber Heinz,
danke für deine Erklärung zu der Klaviatur! Zitat:
Hallo petrucci, habe ich nach deinem Beitrag heute Morgen auch nachgelesen. Ich habe aber nirgendwo gelesen, ob sie nun auf dem PC oder einer Schreibmaschine geschrieben hat ... |
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30.06.2022, 20:20 | #13 | |
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Zitat:
Mir fällt bei dieser Gelegenheit der Schnulzenschreiber Simmel ein, der alle Gabriela-Schreibmaschinen aufkaufte, als es mit den mechanischen Geräten zu Ende ging. Und natürlich auch die Restbestände an Farbbändern. So hat halt jeder seine Methode. |
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01.07.2022, 16:47 | #14 | |
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Zitat:
-> Kein PC! |
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01.07.2022, 17:27 | #15 |
Also im Interview mit dem Regisseur im oben angegebenen ersten Link steht:
Zitat: „Die Tippwettbewerbe gibt es noch immer, aber mit Computern." Zitatende Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man auf einer mechanischen 950 Anschläge schaffen kann. Und man müsste solche Museumsstücke ja erstmal für alle Teilnehmer bereitstellen. Das Wort „Maschinenschreiben" sagt gar nichts darüber aus, mit welcher Maschine geschrieben wird. Auch ein Computer ist eine Maschine. Das hier habe ich gerade gefunden - da steht hinter ihrem Namen und dem Land "PC" (das war in Hannover, 2001) https://www.google.de/search?sa=X&sx...ftJqc06EUbcKkM |
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01.07.2022, 18:32 | #16 |
Forumsleitung
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Zwischen den mechanischen Schreibmaschinen und den PC-Tastaturen gab es sowieso die elektrischen Schreibmaschinen, zunächst mit auswechselbaren Kugelköpfen, dann mit ebenfalls auswechselbaren Typenrädern, danach welche mit Speicherfunktion bis hin zu den IBM- und Wang-Scheibautomaten, die mit Master- und Speicherfloppys arbeiteten. Die hatten alle bereits Tasten, die butterweich anschlugen. Allerdings gibt es auch für die modernen PC unterschiedliche Qualitäten bei den Tastaturen. Nach meiner Erfahrung sollte man nicht billig kaufen. Für meine jetzige Tastatur habe ich etwas tiefer in die Tasche gegriffen, und das hat sich gelohnt. Außerdem wird die Tastatur des Laptop geschont, denn wenn die externe mal kaputtgehen sollte, ist der Schaden ratzfatz und kostengünstig zu beheben.
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01.07.2022, 20:17 | #17 |
abgemeldet
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02.07.2022, 10:14 | #18 |
Hast du den Link angeklickt? Dann siehst du, mit was die Teilnehmer 2001 geschrieben haben; offenbar jeder mit was anderem, einer sogar mit Marke Eigenbau und die Gewinnerin mit dem PC.
Über 2003 habe ich nichts gefunden. LG DieSilbermöwe |
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