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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt. |
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11.05.2021, 20:56 | #1 |
Luxusprobleme
Meine kleine Welt
versinkt in der Flut der Coronahilflosigkeit. Auf meiner Rettungsinsel die langsam die Luft verliert treibe ich im Meer der Luxusprobleme. Das Radio erzählt von einem Opa dessen fünfjähriger Enkel noch nie in seinem kurzen Leben unbeschwert auf einem Karussell fahren konnte weil die Kirmes nun zum zweiten Mal ausfällt. Ich frage mich wie vielen Kindern auf der Welt unbewusst ist dass es überhaupt Karussells gibt. Ich höre von Kindern die nicht mehr wissen wie man draußen spielt und die an Bewegungsmangel leiden weil sie nicht den ganzen Tag auf der Suche nach Rohstoffen Müllberge erklettern müssen. Ich höre von Künstlern im Öffentlich-Rechtlichen die ein Quasi-Berufsverbot erleiden weil sie ohne Publikum und Applaus arbeiten müssen und die nicht einmal vor anderen politisch Inhaftierten gastieren dürfen. Ich höre von Gastleuten die viel mehr Probleme damit haben die gekauften Zutaten vor Ablauf zu verwerten als damit dass wegen zusammengebrochener Infrastruktur Dürren und kaputtsubventionierten Märkten keine Waren zu haben sind geschweige denn Kunden die sie sich leisten könnten. Ich höre von Aktionären die zur Video-Generalversammlung keinen vorherigen Antrag einreichten und nun kein Gehör finden sondern stumm über die Höhe ihrer Tantiemen abstimmen müssen. Wahrlich - geht es uns schlecht! Ich höre nicht von der Zeit die ich spare um vielleicht heute noch ein Apfelbäumchen zu pflanzen. Ich höre von Kindern deren Jugendheim die Besucherzahlen begrenzt und die mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen weil ihre kleinen Hände nicht von früh bis spät Kleider nähen müssen. Ich höre von Rentnern und -innen die nicht mehr in ihren gewohnten Bahnen wassertreten können und nun Jahre ihrer Lebenserwartung einbüßen werden weil sie nicht vor Lampedusa kentern durften. Ich höre von Menschen allen Alters die verkümmern weil sie keine Clubs und Partys mehr befeiern dürfen obwohl die Gebäude doch gar nicht befeuert wurden und ausgebombt vor sich hin schwelen. Ich höre von Heiratenden die tot-unglücklich sind weil zu ihrem Fest keine Bombenstimmung entstehen darf ganz im Gegensatz zu der syrischen Hochzeit die unverhofften Besuch von einer freundlichen Drohne erhielt. Im Fernsehen klagt ein Jungschütze von der Bitterkeit auch in diesem Jahr kein König werden zu können. Ich denke an die Kinder, die keiner fragt, ob sie die Waffe in ihren Händen benutzen wollen und die schießen müssen um zu überleben. Wahrlich - wir leben in düsteren Zeiten. Und auf der dunklen Seite der Macht wohnt die Ignoranz! |
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12.05.2021, 07:27 | #2 | |
Hallo Stachel,
oje - das ist so ein typisches Schuldkomplex-Thema. Zusammengefasst könnte man sagen, haltet gefälligst alle die Klappe und jammert nicht rum, euch geht es im Vergleich zu anderen im Gedicht immer noch super. Sorry, da geht mir die Hutschnur hoch. Man muss nicht dankbar dafür sein, nicht mehr arbeiten zu dürfen und keine Einnahmen mehr zu haben (Restaurants, Künstler, Einzelhandel). In unserer Tageszeitung stand vor einiger Zeit, viele (Gastronomen, Einzelhandel) stünden vor der Vernichtung ihres Lebenswerkes. Und die sollen auch noch schön die Klappe halten und dankbar sein? Til Schweiger erzählte in einem Interview (das ist schon ein paar Monate her), er selbst sei privilegiert, kenne aber Schauspieler, die nichts mehr zu essen haben. Ich bin zwar nicht in dieser Branche, aber unverschuldet kein Geld mehr zu haben und nichts zu essen kaufen zu können, kenne ich aus eigener Erfahrung. Noch schlimmer: Ohne Einnahmen kann man auch keine Miete mehr zahlen. Nein - das sind keine Luxusprobleme. Du hast das mit den nicht mehr fließenden Einnahmen geschickt ausgeklammert: Zitat:
dabei ist dies das Hauptproblem (keine Arbeit = keine Einnahmen). Manchmal denke ich, wenn ich solche Texte lese, dass manche Leute das einfach noch nie erlebt haben, aber glauben, sie müssten anderen noch einreden, dass es denjenigen, wenn sie vor dem Nichts stehen, gutgeht. Davon abgesehen: Was können die Leute, die du in deinem Gedicht erwähnst, für Kriege und Kinderarbeit? Die sind dafür nicht verantwortlich. LG DieSilbermöwe |
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12.05.2021, 08:11 | #3 |
Forumsleitung
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Ich bin nicht sicher, ob dieser Zynismus die richtigen Sujets aufgegriffen hat. Ich sehe Luxus-Probleme z.B. im Gender-Wahn mit seinen Binnen-Sternchen, in den angeblich zu hohen Leistungsanforderungen der Schulen, in der Verherrlichung des Ichs, das sich bis zur Erschöpfung mit der Optimierung seines Körpers und Speiseplans beschäftigt, mit der elterlichen Sorge, Kronprinzen und Kronprinzessinnen einerseits nicht genügend zu verhätscheln, andererseits durch volle Terminkalender zu jagen, der Angst vor Informationsverlust, wenn man zwei Minuten lang nicht auf das Smartphone gestarrt hat, die zunehmend düstere Sicht der Deutschen in ihre Zukunft (die es schon vor Corona gab) und dergleichen mehr.
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12.05.2021, 13:48 | #4 | ||
Ich weiß nicht, ob Stachel hier nicht absichtlich provozieren wollte.
Zitat:
Zitat:
glaubst du wirklich, den Kindern und Jugendlichen hierzulande gehe es in der Corona-Krise gut? Sollen sie sich freuen, weil sie ein nutzloses Schuljahr bald hinter sich haben? Auf den Stil des Gedichtes bezogen, könnte nun eine Zeile kommen wie: “während andere Kinder nicht mal eine Schule haben." Ja, das ist Zynismus pur. Wenn du Missstände wie Kriege, Flüchtlingsleid und Kinderarbeit beklagen willst, warum schreibst du dann kein Gedicht über genau diese, ohne diese Sachen miteinander zu vermengen? LG DieSilbermöwe |
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13.05.2021, 12:15 | #5 | |||
Zitat:
Wo hört Dankbarkeit auf, wo fängt Jammern an? Ist es beklagenswert, wenn wir die Zerstörung unseres Lebenswerks sehen? Das ist es sicher. Sollten wir dankbar sein, dass uns die Krise nicht noch härter trifft? Das, finde ich, sollte jeder zumindest mal für sich selbst überlegen. Dafür halte ich es wichtig, Dinge zu relativieren, sie in Relation zu setzen mit anderen Dingen, die wir aufgrund des eigenen Leids und Schmerzes gerade nicht im Fokus haben. Ich konnte den Text schreiben, weil ich gerade in der luxuriösen Situation bin, mir die Umstände bewusst machen zu können. Sollte ich nicht dankbar dafür sein? Bestimmt. Aber soll ich deswegen "die Klappe halten"? Für ganz viele Regionen auf der Welt stimmt das in genau dieser harten Konsequenz. Bei uns relativiert sich das schon ziemlich und hängt zum Beispiel an Fragen wie "Will ich mir meine Würde bewahren oder gehe ich zum Amt?" Ich glaube übrigens nicht, dass es einer Person die Würde nimmt, wenn sie sich helfen lässt. Zitat:
Zitat:
Freundliche Grüße von Stachel |
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13.05.2021, 12:25 | #6 |
Ich denke, das ist einer der zwei größten Unterschiede. Die Punkte, die du anführst, sind unabhängig von der aktuellen Pandemie. Der zweite ist der inhaltlich fehlende Zusammenhang. Ich würde die Probleme eher unter dem Punkt "Gibt es nichts wichtigeres?" zusammen fassen. War das deine Intention?
Also beispielsweise: "In der Krise kämpfen Leute um ihre Existenz und ihr streitet euch über korrektes Gendern." Was deine Punkte ebenfalls gemeinsam haben ist das Anknüpfen in der eigenen Gesellschaft. Über alles was du sagst, könnte man ebenfalls einen trefflichen Text machen. Es wäre nur nicht mehr dieser. Freundliche Grüße von Stachel |
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13.05.2021, 12:43 | #7 | ||
Zitat:
welchen Kindern? Allen? Meinst du eher die finanziell benachteiligten Bildungsverlierer, die mangels Laptop nicht am Homeschooling teilhaben können oder die Einzelkinder reicher Eltern, die vormittags neben der Schule wegen der gesparten Zeit auch an teuren Online-Kursen freier Lernanbieter teilnehmen können und nachmittags, ebenfalls online, ausgiebiges Sport- und Spaßprogramm erhalten, während andernorts allenfalls die Glotze läuft? Es gibt, wie in allen Krisen, Gewinner und Verlierer. Allerdings ist auch der Verlust sehr ungleich verteilt. Manche verlieren ein Jahr Bildung, andere das Leben. Das finde ich auch. Zynismus ist das natürlich vorherrschende Stilmittel im Text. Zynisch finde ich aber vor allem, wenn sich Leid und Klage umgekehrt proportional zueinander verhalten, wenn also diejenigen, denen es so gut geht, dass man sie problemlos zu den Krisengewinnlern zählen kann, am lautesten Klagen und Forderungen stellen, dass man ihnen Satisfaktion zu verschaffen hätte, in der Regel auf Kosten anderer. Zitat:
Wenn du findest, ich hätte einen anderen Text schreiben sollen, dann finde ich, dass du doch diesen anderen Text schreiben solltest. Wie könnte ich mir herausnehmen, einen Text nach deiner Meinung zu schreiben? Freundliche Grüße von Stachel |
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13.05.2021, 14:13 | #8 | ||||||
Zitat:
Immerhin erwähnst du jetzt selbst, dass es Bildungsverlierer durch die Krise gibt. Zitat:
Zitat:
https://m.focus.de/finanzen/es-geht-..._12992666.html Zitat:
Zitat:
Zitat:
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13.05.2021, 16:14 | #9 |
Hallo Stachel,
das Leid in der Welt wird nicht ausgeknipst indem man sein's beklagt. Das Gefälle Nord-Süd steht noch immer. Hallo Silbermöwe, es ist der Unterschied, der global beleuchtet wird, Du beleuchtest lieber den im eigenen Land. Sollten wir froh sein nicht zu hungern, nicht zu frieren, froh sein ein Recht auf Bildung, Unterstützung in vielen Bereichen zu haben, nur weil wir auf der Sonnenseite leben ? Es ist wohl ein Aufruf auch darüber einmal nachzudenken, und es nicht als selbstverständliches Gut anzunehmen sprich wahrzunehmen. Gruß und schönen Feiertag Euch noch Trem |
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13.05.2021, 18:38 | #10 | ||
Zitat:
von einem Text nach meiner Meinung war übrigens nicht die Rede. Ich fragte, warum du nicht über Missstände ein Gedicht schreibst, wenn du sie beklagen willst. Aber das kann man sowieso nachlesen. Ich werde selbst einen Text zu dem Thema des Gedichtes verfassen. Freundliche Grüße DieSilbermöwe Hallo Trembalo, Zitat:
LG DieSilbermöwe |
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13.05.2021, 22:16 | #11 |
Liebe Silbermöve,
wir leben auf Kosten anderer. Stachel hat Recht. Aber auch in unserer Gesellschaft gibt es wiederum Unterschiede. Das eine wie das andere ist wichtig. Warum flüchten die Menschen nach Europa und USA, Australien u.u. Warum gibt es im Süden so viele Kriege, obwohl diese Länder auf Grund ihrer Bodenschätze sprich Ressourcen reich sein könnten. Wieso, weshalb, warum. Man kann nicht flüchten und sagen dies alles geht mich nichts an, es betrifft uns, Ursache und Wirkung. Die Welt ist so klein geworden. Wir reisen innerhalb weniger Stunden um den halben Globus. Es ist so komplex und so viele Menschen sind beteiligt. Der Schritt ist nahe, das was sich im kleinen vollzieht, vollzieht sich auch im Großen und umgekehrt. Alles Liebe Dir. Gruß |
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14.05.2021, 15:01 | #12 | |
Zitat:
die Leute kaufen so produzierte Teile, weil sie billiger sind. Warum machen sie das? Weil sie sich teurere Artikel nicht leisten können. Warum können sie sich Teureres nicht leisten? Weil sie nicht genug verdienen. Man sollte mal einfach den Leuten anständige Gehälter bezahlen. So hängt das nämlich auch zusammen. Ansonsten bin ich aus der Diskussion jetzt raus. Viele Grüße DieSilbermöwe |
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14.05.2021, 16:18 | #13 |
Forumsleitung
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Woran du das festmachst, würde ich gerne en detail erklärt bekommen. Ich bin nämlich aufgrund eigener Nachforschungten davon überzeugt, dass eine ganze Menge Menschen dieser Erde von meinen Kosten und den Kosten der in der Bundesrepublik arbeitenden Menschen leben - aber nur, sofern das Erarbeitete überhaupt bei ihnen ankommt.
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14.05.2021, 20:35 | #14 | ||
Zitat:
Auf der anderen Seite ist es aber auch ein Luxus, weniger betroffen zu sein und den Blick weiten zu können. Zitat:
Freundliche Grüße von Stachel |
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14.05.2021, 20:58 | #15 | |||
Zitat:
Ich habe ihn gelesen und finde, dass du einen tollen Twist zu meinem Gedicht geschrieben hast. https://www.poetry.de/showthread.php?t=94537 Dazu aber dort mehr. Zitat:
Auch die Fallhöhe ist eine ganz andere. Es ist nicht unbedingt so, dass die weit oben um so tiefer fallen. Teilweise fallen diejenigen knapp über dem Boden nun ins Bodenlose. Beispiele liefert das Gedicht ja genug, denke ich. Aber ich fasse den Begriff des Krisengewinnlers für mich auch recht weit, du vielleicht nicht. Wenn wir mal davon ausgehen, dass eine globale Krise alle mehr oder weniger etwas verlieren lässt, so könnte man doch diejenigen, die fast nichts verlieren, also viel weniger als die meisten anderen, als Gewinnler bezeichnen, oder? Aber das darf und soll ja jede mit sich selbst ausmachen. Darum geht es mir: Zu schauen, ob der moralische Kompass noch stimmt. Zitat:
Danke, dass du dich so intensiv eingebracht hast. Freundliche Grüße von Stachel |
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