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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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02.10.2020, 13:25 | #1 |
Das Wesentliche
Das Wesentliche
habe ich nicht errungen, nicht erworben und auch nicht gemacht. Es ist mir zugefallen wie Früchte aus reichen Gärten, die ich nicht gepflanzt. Menschen auf meinem Weg, die stehen blieben, mir Ansehen gaben, herzerwärmte Worte gegen die Unkultur des Nichtgenügens. Das Wesentliche ist immer Geschenk. |
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02.10.2020, 17:18 | #2 |
Forumsleitung
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Das liest sich wie das Rezept "Warten auf den Zufall, du selbst bewirkst nichts".
Ich schätze deine Lebenseinstellung sehr, AlteLyrikerin, und viele deiner Texte gefallen mir, dieser hier jedoch nicht. Da halte ich es lieber mit Gottfried Keller: "Jeder ist seines Glückes Schmied." Vor allem ist der Mensch nicht erst dann etwas wert, wenn ihm von anderenMenschen ein Wert (= Ansehen) zugesprochen wird. Er ist es pers se. In deinem Gedicht ist der Mensch nicht Subjekt, sondern Objekt, das stößt mir bitter auf. |
03.10.2020, 13:20 | #3 | ||
Liebe Ilka-Maria,
ich denke, Deine Interpretation beruht auf einem Missverständnis, und ich muss mir überlegen, wie ich dazu beigetragen habe. Vor allem zwei Kernpunkte Deiner Interpretation liegen nicht im mindesten in meiner Absicht. Wenn sie in diesem Text stecken, muss ich ihn nochmals überarbeiten. Zitat:
Zitat:
1. Dass der Mensch nichts bewirken kann, dass alles Ergebnis eines Zufalls ist, denke auch ich nicht. Aber es ist nicht alles machbar, vor allem dann nicht, wenn die Rahmenbedingungen einer Existenz brüchig sind. Dann kommt es doch auf die Nähe eines Menschen an, der durch sein vorbehaltloses Ja nach und nach andere Perspektiven möglich erscheinen lässt. 2. Dass der Mensch an und für sich, ohne Anerkennung durch andere, etwas wert ist, eine unverlierbare Würde besitzt, das steht nicht nur im Grundgesetz, das ist sicherlich eine Grundwahrheit. Doch wer in seiner Sozialisierung eine Person ohne inneren, positiven Kern geworden ist, ohne Selbstbewusstsein und die nötige Selbstliebe, dem nutzt diese abstrakte Wahrheit gar nichts. Er braucht es, dass jemand ihn zustimmend ansieht, ihn trotz seiner therapiebedürftigen "Macken" annimmt. Das aber, was ich unter 1. und 2. zu beschreiben versuchte, kann man nicht "machen" oder erzwingen, es wird geschenkt, und wenn das Geschenk ausbleibt, scheitert ein Leben an seinen Verletzungen. Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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03.10.2020, 13:37 | #4 |
Forumsleitung
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Die "Würde" des Menschen als Eintrag im Grundgesetz ließe ich lieber außen vor. Niemand kann sie garantieren, erst recht kein Gesetz. "Würde" ist nur ein Wort.
Sie kann auch nicht von einer anderen Person oder von der Gesellschaft verliehen werden. Wenn ein Mensch nicht spürt, was Würde ist, nicht selbst nach ihr strebt und nach ihr lebt, wird er niemals "würdig" sein. Aus der Zustimmung anderer Menschen lässt sich keine Würde saugen, man bliebe vielmehr immer Objekt. Der Begriff "Würde" ist abstrakt und wird mit Sicherheitheit von den meisten Menschen falsch ausgelegt. Im allgemeinen geht man davon aus, man müsse einen Menschen einfach in Ruhe machen lassen, was er will, dann sei seiner "Würde" Rechnung getragen. Aber so einfach ist das nicht. Oft behilft man sich damit, "Würde" mit "Respekt" gleichzusetzen. Aber auch das trifft es nicht. Im Grunde kann niemand genau erklären, was unter "Würde" zu verstehen ist. Im Alltag, im Umgang der Menschen miteinander, ist sowieso jeder Gedanke daran vergessen, denn man agiert aus der Situation heraus, und da geht es in erster Linie um die Durchsetzung von Interessen, oft fälschlich als "gutes Recht" angesehen. "Würde" taugt dann nur noch für das Mülldepot. Der schlagende Beweis war das Urteil im Fall einer Ex-Ministerin, deren Klage damit endete, dass sie sich vulgärste Beschimpfungen und den Aufruf, sie zu vergewaltigen, gefallen lassen musste. Und das sind nur die Sachen, die vor Gericht ausgetragen werden. Wenn ich an die Verletzungen der "Würde" im privaten Bereich denke, tun sich ganze Ozeane auf. |
05.10.2020, 12:08 | #5 |
Da "beißt" Du Dich nun an dem zweifellos problematischen Begriff der Menschenwürde fest, der wortreich postuliert, für dessen Stützung in der Realität allerdings herzlich wenig getan wird.
Dennoch, so denke ich, sind solche großen, herausfordernden Begriffe erforderlich. Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn nicht die Idee der Menschenrechte mehr und mehr fordernd in die politischen Debatten eingebracht worden wäre? Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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05.10.2020, 12:46 | #6 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Und heute? Der angemessenen Einhaltung der Menschenwürde steht der Individualismus entgegen, der den Gemeinschaftssinn verkümmern ließ. Mit anderen Worten: Jeder verteidigt nur seine eigene Würde, die der anderen Menschen ist unwichtig. Dazu kommt der Rückzug in die Anonymität: Ich habe Menschen kennengelernt, die privat lieb und charmant waren, aber am Steuer ihres Autos oder in den sozialen Medien des Internets zu rücksichtslosen, unausstehlichen Mistkerlen (das gilt für weiblich und männlich) wurden. Leben wir vielleicht im Zeitalter der Mr. Jekylls und Dr. Hydes? Ist es ein Zufall, dass Stevenson für seine Figur einen Namen gewählt hat, dessen Aussprache an das englische Wort für Schakal erinnert? Das ist jetzt ein bisschen weit ausgeholt. Letztendlich steht für mich jedoch fest, dass der Begriff "Würde" zu unklar definiert ist, um angemessen verteidigt werden zu können. Was ist "Würde"? Ist sie naturgegeben? Oder bin ich ein von dem Wohlwollen anderer Menschen abhängiges Objekt, dem die Würde zugesprochen, aber auch genommen werden kann? Schließlich erhalten wir täglich Nachrichten darüber, dass Menschen unwürdig behandelt werden, ohne dass jemand etwas dagegen unternimmt oder unternehmen kann. |
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06.10.2020, 12:13 | #7 | |
Du schreibst
Zitat:
Seit den 70iger Jahren wurde eine zunehmende Sättigung der westeuropäischen Märkte an Massenprodukten erreicht. Von den ärmsten Schichten abgesehen hatte wirklich jeder eine Waschmaschine und inzwischen haben viele Familien für jedes Familienmitglied ein Fernsehgerät. Wie war die Reaktion der Produzenten und Vertriebler? Die Produzenten verkürzten die Lebensdauer der Produkte künstlich und schufen eine Medienwelt, die uns ein glückliches Leben vorspielte durch noch mehr Konsum. Das Individuum sollte sich frei entfalten. Wodurch? Nicht durch Lernen, Kunst und Kreativität, sondern durch den Besitz der stets neuesten Produkte. Witzig finde ich hierbei, dass Individualität sich nun festmacht an Accessoires und Produkten, die möglichst alle kaufen sollen. Alle, die es sich leisten können, fahren nun in die angesagten Länder und leben dort in den Ghettos "all inclusiv". Was ist daran individuell? Wie kann da noch eine Gegenbewegung Raum greifen, die Konzepte wirklicher Lebensqualität propagiert? Herzliche Grüße, AlteLyrikerin. |
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06.10.2020, 12:32 | #8 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Als Individualist konsumiert man nicht, sondern heftet sich das Etikett des Gutmeinenden an, der als personifiziertes schlechtes Gewissen der vermeintlichen Schmarotzergesellschaft solange voranschreitet. Aber auch diese Form des Individualismus wird irgendwann in den 30er Lebensjahren zugunsten eines Vorstandspostens kippen, und dann vergisst man die Ideologien der Jugendjahre oder verbrämt sie. Alles schon dagewesen. Auch in den 80er Jahren wollten die jungen Leute alles besser wissen und die Welt verändern, lebten in Kommunen und strickten und nähten sich die Klamotten selbst (auch die Männer). Keiner von ihnen ist auf Dauer der Realität entkommen. |
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