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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
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03.08.2020, 19:47 | #1 |
Reifen
Reifen
Der Sommer reift und mit ihm seine Kinder. Ein Häher keift. Ich denke schon an Winter. An stille Zeit, an Einsamkeit und Frieden, Geborgenheit und Wege abgeschieden. Ich schau ins Grün und such doch nur die Farben, die in mir blühn, die sprießen aus den Narben. Mein Tal liegt still. Es glüht im fahlen Lichtschein. Was ich einst will? In mir zu Hause sein. 3.8.2020 |
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03.08.2020, 21:15 | #2 |
Forumsleitung
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Schönes Gedicht, Rosmarie, zwar schlicht, aber mit Tiefe. Die Überschrift hätte ich jedoch "Reifung" genannt (oder einfach "Reife"), damit der Leser nicht spontan ein schwarzes Gummigemisch mit "Goodyear"-Schriftzug vor Augen hat.
LG Ilka |
04.08.2020, 09:19 | #3 |
Hallo Ilka-Maria,
herzlichen Dank für deine Antwort! Ich freue mich sehr darüber. Ich benenne das Gedicht in "Reife" um. Denn du hast völlig Recht. Ursprünglich geisterte sogar "Sommerreifen" in meinem Kopf herum, aber natürlich auch gleich die Assoziation "und Winterreifen". Schlicht ist es in der Tat. Alle meine Gedichte sind schlicht. Ich bin ein schlichter Mensch. So lange sie nicht die Grenze zum Naiv-dümmlich-Sein überschreiten, will ich zufrieden sein. Schlichtsein oder -werden ist in dieser Lebensphase, in der ich jetzt bin, ein erstrebenswertes Ziel für mich. In Strophe 3 würde ich gern hinter "blühn" einen Punkt setzen. Das würde den Sinn ganz leicht verändern. Falls du das keinesfalls tätest, sage es mir bitte. Herzlichen Dank! |
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04.08.2020, 09:20 | #4 |
Geänderte Fassung:
Reife
Der Sommer reift und mit ihm seine Kinder. Ein Häher keift. Ich denke schon an Winter. An stille Zeit, an Einsamkeit und Frieden, Geborgenheit und Wege abgeschieden. Ich schau ins Grün und such doch nur die Farben, die in mir blühn. Die sprießen aus den Narben. Mein Tal liegt still. Es glüht im fahlen Lichtschein. Was ich einst will? In mir zu Hause sein. 3.8.2020 |
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04.08.2020, 09:23 | #5 |
Hallo Rosmarie
Ein wirklich schöner Text, der zum Mitfühlen einlädt.
Ilka Maria hat recht, die Überschrift wird dem schönen Text nicht gerecht und ich dachte zuerst an Autoreifen. Um so mehr habe ich mich dann über dieses melancholischen Kleinod gefreut. Lieben Gruß Blade |
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04.08.2020, 09:31 | #6 |
Hallo Blade,
vielen lieben Dank für deine Rückmeldung! Wie sehr ich mich darüber freue, kannst du dir denken. Ich habe gerade deinen Profiltext gelesen und bin völlig überrascht, hier solch eine Selbstbeschreibung zu findend. Ich finde das, was du sagst und andeutest, wunderbar. |
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04.08.2020, 10:52 | #7 |
Mir gefällt der Text auch! Er bringt etwas zum Klingen in mir...
LG Sonnenwind |
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04.08.2020, 11:09 | #8 |
Forumsleitung
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Auch die souveränsten Dichter haben sich einer schlichten Sprache bedient. Niemandem nützt ein kunstvoll gedrechselter Text, wenn er so enigmatisch wird, dass man ihn nicht mehr verstehen kann. Gerade darin besteht ja die Kunst, mit einfachen Worten Großes und Tiefes auszudrücken.
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04.08.2020, 15:39 | #9 |
Dabei seit: 10/2016
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Alter: 42
Beiträge: 5.271
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Liebe Rosmarie,
mit Freude las ich dein Gedicht.
In deinen schlichten Versen stecken große Bilder. Und die letzte Strophe finde ich ganz sehr gelungen. Sommergruß Unar |
05.08.2020, 08:46 | #10 |
Hallo Sonnenwind,
auch dir sehr herzlichen Dank! Wie schön, dass diese Worte etwas in dir zum Klingen bringen! |
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05.08.2020, 08:49 | #11 |
Hallo Ilka-Maria,
danke, dass du mich in meinem Wunsch, schlicht zu sein, richtig verstehst. Was in meinen Augen für Große gilt, kann auch für den kleinsten Normalbürger erstrebenswert sein. Kann, muss nicht! |
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05.08.2020, 08:52 | #12 |
Hallo Unar,
das freut mich sehr, dass mein Gedicht große Bilder in dir hervorzaubern konnte! Dass du die letzte Strophe als gelungen ansiehst, ist insofern eine tolle Rückmeldung für mich, als ich lange daran herumgekaut habe und mit dem "einst" immer noch nicht zufrieden bin. Dankeschön und dir auch einen Sommergruß! |
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05.08.2020, 09:47 | #13 |
Forumsleitung
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Warum nicht?
"Einst" ist eines der poetischsten und tiefsinnigsten Wörter, die es gibt, denn es kann sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft weisen - ein "Janus"-Wort, sozusagen. Es passt perfekt, denn unsere Hoffnungen für die Zukunft kommen ja meistens nicht spontan, sondern sind aus der Vergangenheit erwachsen. So empfinde ich es jedenfalls. |
05.08.2020, 11:44 | #14 | |
Zitat:
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05.08.2020, 17:30 | #15 |
Hallo Ilka-Maria,
Sommerwinds "Wow!" kann ich mich nur anschließen. Ja, dein Statement für "einst" hat was! Das überzeugt! Ich schrieb zwar: "Was ich einst will?" Aber was ich eigentlich sagen wollte, ist: "Was ich mir am meisten wünsche, ist:" Tja, man kann halt nicht alles haben, wenn die eigenen Fähigkeiten begrenzt sind... |
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05.08.2020, 19:57 | #16 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Das Ziel bleibt das gleiche. Kein Mensch wünscht sich etwas, das er nicht haben will. Umgekehrt könnte es eher vorkommen, aber das sind seltene Fälle. Im Kontext deines Gedichts ist "einst" passend und verständlich. Es weist sogar darauf hin, dass es sich um den einzig wertvollen Wunsch handelt. Dagegen hätte "am meisten" die Frage aufgeworfen: Tja, was wünscht sich das Lyrische Ich denn sonst noch Tolles? Vielleicht stimmt die Gewichtung ja gar nicht, also rücke mal die Liste raus, damit wir das prüfen können. jetzt aber genug mit meinem Plädoyer für das poetische "einst". (Eine Variante wäre vielleicht: ... was ich innigst will ... Hätte halt eine Silbe mehr, wäre aber vertretbar.) |
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05.08.2020, 20:08 | #17 |
Hallo Rosmarie,
ich kann den Wunsch "in sich zu Hause zu sein" gut nachvollziehen. Sehr schöne und ausdrucksstarke Bilder, die hier in dem Gedicht beschrieben werden. Lieben Gruß Silver
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06.08.2020, 14:16 | #18 |
Hallo Ilka-Maria,
deine Ausführungen zu "einst" und Co. sind für mich höchst interessant. Ich kann dir letztlich nur zustimmen. Du hast mich also überzeugt. Herzlichen Dank! Das "innigst" ist für mich nicht das Richtige, da das "i" betont ist und zusätzlich die weitere Silbe den Rhythmus für meine Gefühlsbedürfnisse zu sehr verschieben würde. Klar wäre das vertretbar, aber eben nicht für mich, so lange ich eine Alternative habe. Ich bin nämlich ein Harmonie-Fan. D.h. ein gleichgestrickter Rhythmus ist mir ein Bedürfnis, da die Zeilen dann noch ruhiger und ebenmäßiger dahin plätschern... Ich möchte halt in Harmonie enden, im Gedicht wie im Leben. |
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06.08.2020, 14:18 | #19 |
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06.08.2020, 14:20 | #20 |
Hallo Silver,
vielen lieben Dank für deine positiven Worte! Ich freue mich sehr darüber! Auch dir einen lieben Gruß! |
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06.08.2020, 14:21 | #21 |
06.08.2020, 14:24 | #22 |
Forumsleitung
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Allein darauf kommt es an, Rosmarie: sich zu entscheiden und dabei zu bleiben. Deshalb bleibe ich dabei: ein schönes Gedicht.
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06.08.2020, 14:35 | #23 |
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12.08.2020, 20:04 | #24 |
Liebe Rosmarie,
ich bin auch sehr angetan - ich kann so "schlicht-ergreifend" selbst nicht schreiben.
Ich "stolpere" hier allerdings nicht beim "einst", sondern in der Zeile davor: "Es glüht im fahlen Lichtschein". Zum einen ist das Metrum arg gequält - es müsste hier am Ende eigentlich ein dreisilbiges Wort mit Hebung auf der ersten und letzten Silbe stehen. Und zum anderen passt die Wortwahl/Bilderwelt nicht wirklich zum sonstigen Duktus des Gedichts. "Glüht" bringe ich nicht mit "fahl" in Einklang, hier würde eher glänzend, glitzernd oder gleißend passen. Und auch sonst ist die geschilderte sommerliche Reife (reift, Grün, die Farben, blühn) nicht so negativ besetzt wie in dieser einzelnen Zeile hier. Meine zwei Alternativvorschläge für den Vers wären deshalb: ( ...) Glänzt noch im Sonnenschein. oder ( ...) Entschwebt im Abendschein. Herzliche Grüße Epilog |
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13.08.2020, 16:47 | #25 |
Lieber Epilog,
vielen lieben Dank für deine Worte und besonders auch für die Gedanken, die du dir zur Verbesserung gemacht hast! Im Prinzip hast du mit der letzten Strophe Recht. Ich habe auch lange über dieses Bild des Glühens im fahlen Lichtschein nachgedacht. Mir war auch klar, dass hier Widersprüche liegen. Dein stimmiger Hinweis aber auf den Betonungsrhytmus war mir allerdings nicht bewusst. Mein Tal liegt still. Es glüht im fahlen Lichtschein. Was ich einst will? In mir zu Hause sein. Ich blieb schließlich doch bei diesem Bild, da ich die ambivalenten Gefühle, die es meiner Meinung nach beim Lesen hervorruft, ganz passend fand. "Reifen" ist für mich etwas, was ich in dieser Lebensphase (bin 74) erfahre und bewusst wahrzunehmen versuche. Da gibt es die glücklichen, weil sinnverstärkenden Aspekte, aber auch viele, die mit Abschiednehmen und Trauer zu tun haben. "Mein Tal liegt still. Es glüht im fahlen Lichtschein." kann auch doppeldeutig gelesen werden. Ich war immer eine sinnenfreudige und auch leidenschaftliche Frau. Nun liegt mein Tal still und glüht nur noch fahl, d.h. auf andere, sinnverschobene Weise. Das bedaure ich real zwar kein bisschen, weil es mir eine enorme Freiheit schenkt und Kräfte freisetzt, die vorher noch gebunden waren. Aber es löst auch Trauer aus, weil vorbei eben vorbei ist. Da ich diese Doppeldeutigkeit gern im Gedicht lassen würde, verzichte ich auf eine Änderung in deinem Sinne - und das, obwohl ich bei Gedichten sehr gern dieses harmonische Fließen habe, dem deine Vorschläge viel besser entsprechen. Ganz, ganz lieben Dank! |
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