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27.10.2017, 09:28 | #1 |
Dabei seit: 10/2017
Ort: klaatus Keller :D
Beiträge: 302
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Allein gelassen (Teil 1)
Hallo Papa,
ja, Du hast richtig gelesen. Bevor Du den Brief aus der Hand legst, bitte ich Dich inständig darum, Dir durchzulesen, was ich zu Sagen habe. Ich erwarte nicht, dass Du mir antwortest oder dass Du Deine Meinung über mich änderst, ich möchte Dir einfach nur sagen, was mir seit 14 Jahren auf der Seele brennt. Papa, ich vermisse Dich. Wieso hast Du Dich nicht mehr gemeldet? Dein letzter Brief ist 12 Jahre her, seitdem weiß ich nichtmal mehr, ob Du überhaupt noch lebst. Hast Du mich vergessen? Oder bewusst ignoriert? Ich habe Dir so oft geschrieben, Dir Fotos geschickt, Dich auf Deinem Handy versucht zu erreichen... hast Du das alles nicht gesehen? Mama konnte mir nie eine Antwort geben auf all meine Fragen. Und ich habe jeden Tag nach Dir gefragt. Irgendwann hat Mama gesagt, ich soll Dich vergessen, wenn Du Dich sowieso nicht für mich interessierst... aber das konnte ich nicht. Ich habe nach jeder Erinnerung an Dich, an uns, gegriffen, wenn ich nachts wachgelegen und Dich wieder so schrecklich vermisst habe. Und immer habe ich meinen Gute-Nacht-Bären an mich gedrückt, den Du mir damals geschenkt hast. Weißt Du noch? Der kleine Bär im Schlafanzug, der meine Lieblingsgeschichte erzählt, wenn man ihm auf die Pfote drückt? Ich kann die Geschichte mittlerweile auswendig und hab sie jeden Abend einem Foto von Dir vorgelesen... und ich habe so um Dich geweint, Papa. Du hast gefehlt. In meinem wie in Mamas Leben. Ich habe Dich gebraucht, als meinen besten Freund, meinen Ansprechpartner, meinen Seelenverwandten. Aber alles was mir geblieben ist, war ein leeres Versprechen und eine Erinnerung an ein perfektes Leben. Du hast versprochen, Du kommst wieder. Wo bist Du jetzt? Ich bin Dir nicht böse, dass Du weggehen musstest. Ich bin nur unendlich traurig, dass Du nicht wiedergekommen bist. Anfangs war die Zeit ohne Dich die Hölle. Ich war gerade mal sechs Jahre alt, als du fortgegangen bist. Sechs Jahre alt, Papa. Und Du hast Dich nicht mal verabschiedet. Eine ganze Woche lang hast Du mich in dem Glauben gelassen, Du liebst mich und Mama nicht mehr, bis ich endlich den ersten Brief von dir bekommen hatte. Der hat meine Sehnsucht wenigstens für ein paar Wochen gestillt... Aber Du kamst einfach nicht wieder. Jahre vergingen, traurige, einsame Jahre. Mama konnte mir nie das geben, was Du mir gabst. Ich vermisste es auf Dich zu warten, dass Du von der Arbeit kamst und Du endlich mit mir spielen konntest. Oder dass wir abends immer Geschichten erfunden haben, die Du für mich aufgeschrieben und in einem Ordner gesammelt hast. „Meine ersten Geschichten“, erinnerst Du Dich? Du wusstest wohl, dass ich mal Schreiben würde. Du dachtest damals, es macht mir Spaß und ich werde deswegen weitermachen. Du hast Recht, aber primär schreibe ich für Dich, in der Hoffnung, Du wirst es irgendwann lesen und stolz auf mich sein. Ich habe mein ganzes Leben darauf ausgerichtet, dass ich irgendwann mal, wenn ich darauf zurückblicke, sagen kann: „Mein Papa wäre stolz auf mich gewesen.“ Auch wenn Du nichtmehr da warst, hielt ich an Deinen Werten fest, die Du mir mit auf den Weg gegeben hast. Ich habe mich selbst erzogen mit Dir als mein Vorbild, und ich hoffe, ich werde deinen Ansprüchen, die Du sowohl an mich als auch an Dich selbst hattest, gerecht. Siehst Du, ich habe uns nicht aufgegeben. Ich habe immer auf Dich gewartet, 12 Jahre lang, aber ich kann nicht mehr mit der Ungewissheit leben. Wenn Du mir auf diesen Brief antworten möchtest, überlege Dir Deine Worte gut. Wenn nicht, dann will ich Dir jetzt ein letztes Mal sagen: Ich liebe Dich, Papa! Von ganzem Herzen! Du warst immer der wichtigste Mensch für mich und wirst es immer sein. Ich werde es respektieren,wenn Du keinen Kontakt mehr zu mir haben möchtest. Aber eins sollst Du noch wissen: es wird mir das Herz zerreißen. Ola |
27.10.2017, 13:17 | #2 |
Das tut weh in der Seele. Sehr berührend und lebendig (irgendwie trotz aller Enttäuschung doch erwartungsvoll) geschrieben.
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28.10.2017, 00:12 | #3 |
Dabei seit: 10/2017
Ort: klaatus Keller :D
Beiträge: 302
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28.10.2017, 10:48 | #4 |
Aua Skaylar,
ein trauriger, trauriger, gefühlsehrlicher Text. Wenn er wirklich an jemanden gerichtet ist, oh ich wünsche nur er ist es nicht. :-( Aus schriftstellerischer Sicht, da ich von Prosa keine Ahnung habe, kann ich hier nichts beurteilen. Aus menschlicher Sicht, mit der ich fühle, empfinde ich tiefstes Mitgefühl mit dem lyrischen Ich. Ich habe selber eine Tocher und zu lesen, was es tun könnte, meine Familie zu verlassen, autsch, das tut doch einfach nur ganz doll aua. |
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28.10.2017, 13:22 | #5 |
Dabei seit: 10/2017
Ort: klaatus Keller :D
Beiträge: 302
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Sagen wir mal, dieser Text ist an alle Väter gerichtet, die den gleichen Mist gebaut haben.
Ich will das auch gar nicht weiter werten oder verurteilen, manche haben/hatten sicher einen triftigen Grund... aber wie auch immer. Danke auch an Dich für Deine Eindrücke, Gefühle zu übermitteln war mir bei diesem Text sehr wichtig. Allerliebste Grüße, Skaylar |
29.10.2017, 01:43 | #6 |
gesperrt
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Skaylar, ich mache oft Spaß, das hast du schon mitbekommen. Ernsthaft, es ist sehr gut geschrieben, aber das ist nichts, was für andere Leute bestimmt ist. Vergiss nicht, die Zeilen reißen dich in den Abgrund, deswegen haben wir alle Lyris. Autobiographisch schreibe nur dann, wenn du das was du schreibst verarbeitet hast. Wahre die Distanz zu deinen Texten.
Es ist nicht alles für fremde Augen bestimmt. Du schreibst ausgezeichnet, aber um jemanden stolz zu machen, mach erst dich selbst stolz. Niemand wird auf dich stolz sein außer du selbst. Und komm mir nicht mit einem Scheiß, dass es nur eine Geschichte ist. Dafür bin ich schon zu lange in den Foren. Gem |
Lesezeichen für Allein gelassen (Teil 1) |
Stichworte |
familie, trauer, verlassen |
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