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23.10.2017, 23:12 | #1 |
Forumsleitung
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Liebe!
Ich bin seit fünfzehn Jahren verheiratet und liebe meine Frau immer noch.
Überrascht? Ich auch. Wenn ich mich bei meinen Verwandten, Freunden und Bekannten umsehe, begann es bei denen zwischen dem sechsten und zehnten Ehejahr zu krachen. Einige sind bereits geschieden, andere verhandeln ihre Trennung mit ihren Anwälten, wobei „verhandeln“ ein blanker Euphemismus ist. Aber bei mir und meiner Frau läuft alles rund. Ich bin ein Glückspilz. Woran mag es gelegen haben, dass es bei anderen Paaren nicht klappt, bei uns aber umso besser: Nie Streit, keine Geldsorgen, und sogar unsere Scheidung scheint harmonisch zu verlaufen. Deshalb habe ich über mich nachgedacht und versucht, jene Eigenschaften zu entdecken, die mich partnerschafts- und ehetauglich machen könnten („gemacht haben“ geht ja nicht, denn sonst wäre meine Ehe nicht gescheitert): Geduld. Geduld ist wichtig. Widerspreche niemals deiner Ehefrau, ehe sie zu Ende doziert hat, auch wenn du das Gefühl hast, ihr am Ende eine Studiengebühr für mindestens ein Semester schuldig zu sein. Anpacken. Anpacken ist ebenso wichtig, und zwar überall, bei der Einkaufstüte (das tut „Mann“, und damit meine ich „Ich“, am liebsten), beim Staubsaugen (geht noch so), Autowaschen auf dem hauseigenen Parkplatz (wie Urlaub, denn dabei kann ich mit den Leidensgenossen stundenlang quatschen), dem Dreikäsehoch bei den Hausaufgaben helfen, obwohl er mir intellektuell haushoch überlegen ist und schon mit neun Jahren ein Bewerbungsschreiben an die NASA geschickt hat, dass er anstrebt, als der erste Dreizehnjährige auf dem Mars zu landen und die Nachricht zur Erde zu schicken: „One step on Moon, a hell of steps on Mars – and all are mine.“ Ich nicke immer dazu, um ihn zu ermutigen, seine Pläne tapfer zu verfolgen. Meine Frau hat das übrigens nie verstanden, denn ihr Intellekt reicht nicht bis zum Horizont, geschweige denn bis zum Mars. Aber ich schweife vom Thema ab. Die Intelligenz meines Sohnes hat nichts damit zu tun, dass meine Frau und ich nach fünfzehn Jahren immer noch miteinander glücklich sind, wir aber trotzdem beschlossen haben, uns zu trennen. Ich weiß immer noch nicht, weshalb, fühle aber, dass es richtig ist. Aber, verdammt noch mal, warum?! Ich brauche einen rationalen Grund, und nachdem ich an mir selbst nicht habe festmachen können, weshalb ich mich von meiner Frau trennen soll, bin ich auf die Idee gekommen, sie zu analysieren. Plötzlich war mir nämlich bewusst, dass ich seit langer Zeit nicht mehr über sie nachgedacht habe. Dabei hätten mich die blauen Flecken am äußeren linken Oberschenkel, die inzwischen teils lila, teils gelb geworden sind, schon eher darauf bringen können, weshalb es mit uns beiden so gut läuft. Und weshalb ich öfter über meine Frau hätte nachdenken müssen. Spontaneität! Meine Frau ist sehr spontan, und das liebe ich an ihr. Sie kommt auf die verrücktesten Ideen, die sie aber niemandem mitteilt, sondern einfach ausführt, ganz nach dem Motto: Überraschung, Überraschung! Neulich kam ich spätnachts von einer Firmenfeier nach Hause, todmüde und erheblich alkoholisiert, gerade noch fähig, in der Dunkelheit des Schlafzimmers die Schuhe auszuziehen, den Schlips zu lockern und mich auf meine Hälfte unseres gemeinsamen Bettes plumpsen zu lassen ... da hätte ich fast einen Schädelbasisbruch erlitten. Das waren jedenfalls die Signale, die mein Gehirn empfing. Wie bei jemandem, der vertrauensselig in ein Schwimmbecken ohne Wasser springt. Ich hätte es wissen müssen! Mindestens einmal im Monat probiert meine Frau die Wohnung aus. Im Klartext heißt das: Sie stellt die Möbel um. Bevorzugt die Möbel im Schlafzimmer. Auch die Betten. Irgendwelche Fragen? Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Ich liebe meine Frau, und sie liebt mich. Aber so können wir nicht weitermachen. Um eine Scheidung zu vermeiden, müsste meine Frau ihre Spontaneität in einem unzumutbaren Maß einschränken, oder ich müsste das Risiko tragen, in absehbarer Zeit zum Krüppel zu werden oder eines frühen Todes zu sterben. Sieht so aus, als zöge ich den Kürzeren. Mein Gott, ich liebe diese Frau! Aber gerade hat ihr Messer mein linkes Ohr verfehlt! 23.10.2017 |
23.10.2017, 23:41 | #2 |
Hallo Ilka,
man kan aus verschiedenen Gründen heiraten, man kann sich aus verschiedenen Gründen trennen. Liebe kann für beides ein Grund sein. Oder ein Hindernis. LG Sonnenwind |
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24.10.2017, 12:46 | #3 |
Flüssig erzählt. Das Ende rundet die Gesichte ab. Ein Text, wie aus einem Guss. Prima.
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24.10.2017, 23:23 | #4 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Hallo Ilka-Maria,
das ist fluppig und die Pointe sitzt. Kompliment! Ein Thema, den Streit/die Rechthaberei, hast Du ausgelassen. Ein erfahrener Ehemann (über fünfzig Jahre verheiratet), befragt, wie er einen unausbleiblichen Streit ausgewichen ist: "Junger Mann, merken Sie sich den Satz: 'Liebling, ich glaube, du hast Recht!' - das nimmt dem Streit die Spitze und Sie bewahren Ihr Gesicht." Gruß, Heinz |
25.10.2017, 07:14 | #5 |
Liebe Ilka-Maria,
ich finde die Geschichte unterhaltsam. Für mich ist sie aus der Sicht des LI zwar etwas unglaubwürdig (ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wirklich so verblendet ist), aber wenn du eine lockerleichte Geschichte erzählen wolltest, ist dir das gut gelungen. LG DieSilbermöwe |
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25.10.2017, 07:45 | #6 |
Forumsleitung
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Meinen Lesern besten Dank für die Rückmeldungen. Freut mich, dass meine Geschichte nicht gelangweilt hat.
Im Kern mag das sein, aber wie die meisten Geschichten enthält auch diese einen Zipfel Wahrheit: Dem Ehemann einer früheren Kollegin von mir war es tatsächlich passiert, dass er sich ins Bett legen wollte und statt dessen hart auf den Boden aufschlug, weil es nicht mehr an der gewohnten Stelle stand. Zwar war der arme Kerl nicht angetrunken, aber er wollte gegenüber seiner bereits schlafenden Frau rücksichtsvoll sein, weshalb er kein Licht gemacht hatte. LG Ilka |
25.10.2017, 17:31 | #7 |
Ich meinte nicht "verblendet" im Sinne von "verpeilt", sondern im Sinne davon, dass er seine Ehefrau so sehr liebt, dass er (fast) nicht merkt, wie sie ihn eigentlich behandelt.
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25.10.2017, 17:48 | #8 |
Forumsleitung
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Ich weiß, was du gemeint hast, Silbermöwe. Er hat es aber gemerkt, deshalb hält er ja den Zeitpunkt der Trennung für gekommen. Reiner Überlebenswille .
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