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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten. |
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10.09.2012, 10:40 | #1 |
Niederkunft
Geht leider nicht kürzer...
Niederkunft Die Hebamme ist rundherum zufrieden, ein schönes Kind ward ihr als Lohn beschieden, das unter Umstands Widrigkeit gesund und kräftig kam zur rechten Zeit, und auch die Mutter ist wohlauf, da gönnt sie sich ein Schnäpschen drauf. Der Vater in die Hocke ist erschöpft gesunken, für ein paar Stunden war die Welt um ihn versunken, doch weil sich sonst kein Helfer fand, ging er der Hebamme zur Hand und konnte so ein atemloser Zeuge sein, als durch die Pforte kroch das Baby winzigklein. Er wird fortan die Welt mit andern Augen sehen, das Kommen, Werden, Wachsen und Vergehen, ob auch die Ohnmacht ihm noch immer die Leviten liest, so weiß er doch, dass die Geburt ein großes Wunder ist trotz Blut und Schweiß und Wehgeschrei, er weiß es und er bleibt dabei. Die Mutter ist in tiefen Schlaf gesunken, nachdem in puren Glückes Wogen sie ertrunken, der ungeheure grelle Schmerz war wie verflogen, als da das Kindlein fein auf ihre nasse Brust gehoben und sie mit zärtlich zugespitzten Lippen geheimnisvolle Koseworte sprach aus ihres Herzens Mitten. Es zieht den Mund mir förmlich in die harten Backen, wenn da ein solcher Winzling schläft gehüllt in weiche Laken ist alles Elend dieser Welt für einen Augenblick verschwunden, es schmerzen weder alte Narben mich noch frische Wunden, da stille Freude rührt mich zu Entzücken und will in eine heile Welt mich sanft entrücken. Geburt ist Unschuld und so soll es weiter bleiben, was immer auch die Mächtigen der Welt da draußen treiben, wie finster ihre bösen Pläne mögen uns bedrohen, wie sehr die Menschen heutzutage auch verrohen, wie grimmig Feinde auch einander fluchen, am Kindsbett hat dies alles nichts zu suchen. Die Welt mag ins Verderben rennen ohne Halt, regieren mag die Völker Unrecht und Gewalt, und was so mancher da in Euphorie verkündet, mit Frieden und so weiter scheint mir unbegründet, schau ich zurück auf’s Zwanzigste Jahrhundert, so reib ich mir die müden Augen recht verwundert. Was kümmert mich der Mächtigen Getöse, der Mensch ist schlecht und sein Verlangen böse, er mag getrost den ganzen Erdenball verbrennen, nie wird das Wunder er des neuen Lebens kennen, wo jedes Weh im reinen Licht erlischt und jede Träne aus dem Auge wird gewischt. 07 |
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10.09.2012, 11:17 | #2 |
Guten Morgen, lieber D.,
habe wieder mal ein Gedicht von dir sehr gerne gelesen, Inhalt und Form sprechen mich an, umso mehr, als ich dieses Wunder der Geburt zweimal erleben durfte. Deine, für dich typische, desperate Wendung zum Ende hin regt mich zum Nachdenken an. Ich hab mal den Spruch gehört: "Der Mensch ist des Menschen Wolf", das stimmt sicherlich, aber nicht für alle. Ich seh das so: Der Mensch ist zur Freiheit bestimmt, und so hat er die Wahl sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden (es sei denn, er ist indoktriniert und ist aufgrund dessen nicht wirklich Herr seiner Gedanken). Alles "Böse" ist sozusagen der Preis, den wir zahlen müssen für unsere Freiheit. Beide "Pole" ergeben nur zusammen einen Sinn. Nur im Gegensatz erkennen wir ihren "Wert". Beides wird es immer geben. lg simba |
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10.09.2012, 11:39 | #3 |
Guten Morgen, simba,
weise Worte. Seh ich durchaus ähnlich. Und ebenso zweimal. Nur das mit des Menschen Wolf betrachte ich aus etwas anderem Blickwinkel. Wölfe sind im Gegensatz zum bösen Monster der Märchen etc. hochintelligente und vorbildlich soziale Wesen, und wenn ich irgendwo dieses römische Sprichwort aufschnappe, denk ich mir immer nur: Wenn er's doch nur grad wäre... LG Desperado |
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10.09.2012, 11:51 | #4 | |
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Hallo Desperado,
das sind sehr emotionale Zeilen! Die gefallen mir vom Thema her auch wieder sehr gut (von der Machart sowieso.) Da ich auch 2fache Mama bin, kommen mir auch wieder ein paar wichtige Erinnerungen. Besonders beeindruckend fand ich diesmal: Zitat:
Lieben Gruß von Suzette |
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10.09.2012, 12:21 | #5 |
danke
zu dem Sprichwort, klar wenn du´s aus diesem Blickwinkel betrachtest, ist dein "wenn er´s doch nur grad wäre" verständlich. Vielleicht gibt es ein anderes Sprichwort, das den Sachverhalt besser trifft? lg simba |
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10.09.2012, 15:04 | #6 |
Danke Suzette!
Dein Urteil ist mir sehr wichtig, umso mehr freut es mich, dass Dir mein Gedicht etwas zu geben vermochte. Nun, Simbaladung... der Mensch ist des Menschen Unmensch. menschliche Grüße Desperado |
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11.09.2012, 13:34 | #7 |
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Danke, Desperl (oder magst du Namensveränderungen nicht?), das ehrt mich (auch wenn ichs nicht so ganz verstehe).
Aber dein poem gibt denk ich jeder Mutter die Geburts- erinnerungen zurück - und da passt es schon mit der Länge - passt genau! LG Suzette |
11.09.2012, 13:42 | #8 |
R.I.P.
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Der Vater in die Hocke ist erschöpft gesunken,
Paradebeispiel für eine schauderhafte Inversion, die lediglich dem Reim geschuldet ist. Vom Sinn her: Der Vater war ja soooo erschöpft von den Schmerzen der Gebärenden, daß ihn das völlig fertiggemacht hatte. Er sogar in die Knie oder Hocke ging. (Wurde ja dann besser, als die Hebamme da war und nur noch d e r Moment abzupassen war). Erinnert mich an den Geheimrat, der die Schmerzensschreie seiner sterbenden Christiane nicht aushalten konnte und in seine ruhigen Gemächer floh. |
11.09.2012, 13:51 | #9 | |
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Zitat:
wo doch jeder inzwischen weiß, daß Männer keine Schmerzen ertragen - ist schon ganz gut eingerichtet worden, daß drum die Frauen gebären, oder? |
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11.09.2012, 13:56 | #10 |
R.I.P.
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Gut eingerichtet?
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11.09.2012, 13:57 | #11 |
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Für Agnostiker etc.: Von der Natur ausgedacht oder per Zufall
entstanden. |
11.09.2012, 14:04 | #12 |
R.I.P.
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Dein Spott zündet nicht, liebe Suzette.
Aber das ist von mir offtopic und leider nicht mehr zu löschen. |
11.09.2012, 14:15 | #13 |
Oja, Suzette,
es ist sogar allerbestens so eingerichtet worden, und ich bin absolut nicht scharf drauf. Die unvorstellbaren Schmerzen, die so gut wie jede Geburt einer Frau bereitet, muss ich nicht unbedingt kennen, mitansehen müssen genügt mir vollkommen. Herr, das Weib ist das wunderbarste all deiner Geschöpfe, aber ich danke dir, dass du mich als Mann erschaffen hast. Den Bibelspruch gibt's wirklich. LG Desperl |
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11.09.2012, 14:22 | #14 | |
Hallo Desperado!
Ein Thema, an das sich bisher – zumindest in meiner Wahrnehmung – noch kein männlicher Lyriker herangewagt hat. Die von Thing monierte Inversion in Strophe 2 Zeile 1 könntest Du folgendermaßen richten: Zitat:
So betrachte ich dennoch Dein dichterisches Wagnis - in seiner quasi fühlbaren Transparenz - als sehr gelungen. VG Pitti |
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