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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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11.06.2018, 20:15 | #1 |
Großstadt
Hier wird es niemals dunkel,
hier ist es niemals still, hier ist niemand je allein - und trotzdem bin ich einsam. |
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16.06.2018, 09:16 | #2 |
Habe auch einige Jahre in der Stadt gewohnt - das Gefühl kenne ich gut..
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16.06.2018, 09:33 | #3 |
Forumsleitung
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Ziehe in ein Dorf, tausche die städtische Freiheit gegen den Zwang der Traditionen ein, lerne unter ständiger Beobachtung zu stehen, wähle unter den paar wenigen in Frage kommenden Lebenspartnern den besten aus (den die anderen übrig gelassen haben), töte eigenhändig das Tier, das du am Sonntag im Kochtopf haben willst, fahre 30 km bis ins nächste Kino, um auf ein Kleinleinwand den neuesten Blockbuster zu sehen, gehe regelmäßig in die Kirche, damit du nicht unter Generalverdacht kommst, gottlos zu sein, nenne mir tausend Gründe, weshalb Menschen in die Stadt strömen, ohne geisteskrank zu sein ... und schreibe dann nochmal über die Stadt.
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16.06.2018, 11:10 | #4 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.489
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Man muss nicht in die Kirche, da gehn nur die Rentner hin, und es gibt auch Einkaufsbusse.
Die Nachbarn machen auch mal die Hühnerluke zu und die Beobachtung klappt nur wenn sie merken das es was bringt dich vollzumachen. Aber einsam kann man trotzdem sein. Und rumvögeln tun se hier genauso wie in der Stadt. |
16.06.2018, 12:04 | #5 | |
abgemeldet
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Zitat:
Ich lebe auch im Dorf mit 8000 Einwohnern. Hier gibt es direkt in der Mitte ein großes Einkaufszentrum mit Aldi, Edeka, Pfennigpfeifer, Kick und zwei Bäcker, einen Fleischer und einen Schlüsseldienst. Hier gibt es sogar 150mbit VDSL und wer Glasfaser braucht, gibt es sogar 400mbit. Das ländliche Leben befindet sich im Wandel, das bekommt man aber nur mit, wenn man viel darüber liest und selbst viel durchs Ländliche reist. Die Nachbarn sind nett und wenn man einen stabilen Selbstwert hat, kümmert es einen sowieso nicht was andere von einem denken. Ich habe eine Partnerin, eine sehr liebe Frau, die auch nicht von hier kommt. Du bist doch eine sehr belesene Frau, so solltest Du doch eigentlich wissen, dass das ländliche Leben durchaus körperlich sowie geistig gesund macht und viele Studien haben mittlerweile ergeben, dass das Stadtleben eben leider krank macht. Jeder hat so seins, trotzdem finde ich ein schwarz-weiß Denken nicht wirklich nützlich. Zum Gedicht: Hier wird es niemals dunkel, hier ist es niemals still, hier ist niemand allein - und trotzdem bin ich einsam. Gern gelesen - der letzte Vers funktioniert für mich gut, weil er aus den drei Zeilen ausbricht. Metrisch sowie auch Form. vlg EV |
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16.06.2018, 12:39 | #6 |
Forumsleitung
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Der Tunnelblick liegt im Gedicht. Es geht nicht darum, was ist, sondern um das, was suggeriert werden soll. Natürlich könnte ich das Dorfleben verteidigen, aber das würde diesem unsäglich einseitigen Gedicht in die Hände spielen.
Es ist ungefähr so, als würde jemand behaupten: Auf dem Land ist es sicherer als in der Stadt, dort passieren weniger Verbrechen. Statistisch ist das aber nicht haltbar. Ich kann mich gut an den Mord an einem Kind erinnern - im Jochgrund, Rückzugsort vieler Großstadtmenschen im Rentenalter. Einsamkeit gründet sich ohnehin nicht darauf, wo ein Mensch lebt, sondern wie er veranlagt ist. Weißt du, wieviel Menschen ich kenne, die sich alles Mögliche vorstellen, z.B. kreative Dinge zu tun, unter Menschen zu sein, zu reisen, zu lesen usw. usf.? Aber sie sitzen zu Hause und haben bei allen Angeboten nichts anderes zu tun, als sie mit fadenscheinigen Entschuldigungen abzulehnen oder auf später zu verschieben. Gerade jetzt passt es nämlich nicht - genau gesagt: es passt nie. |
16.06.2018, 13:55 | #7 | |
Zitat:
Mit Marx könnte ich meinen, der Mensch folgt lediglich der Spur des Kapitals - welches in den Städten sich akkumuliert. Allgmeiner wird sicher ein jeder seine Gründe haben. Oder was meinst du ? Ist es der Ruf der Freiheit und des guten Lebens ? |
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16.06.2018, 14:37 | #8 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Zunächst akkumulierte sich nicht das Kapital in den Städten, sondern der Pauperismus. Schon mal etwas vom Bauernlegen gehört? Oder über die "Befreiuung" von der Scholle? Von dem Austritt der Großgrundbesitzer aus ihrer Verantwortung für ihre Pächer und Tagelöhner? Das Land brauchte die Menschen nicht mehr, also suchten sie Zuflucht in den Städten. Aber da war die Industrie erst im Aufbruch und konnte nicht alle aufnehmen. Diese verfluchten Städte! Sie lassen Menschen auf der Straße verhungern, während verruchte Weiber in aufreizenden Kleidern Cancan in den Kneipen tanzen! Dabei wären die Menschen so viel besser dran, wenn sie im Dorf blieben, Kühe melkten und Gänsen die Köpfe abschlügen! Das nennt man Naturverbundenheit. Das hielte psychisch gesund und würde alle Psychotherapeuten über Nacht arbeitslos machen. Statt geräucherte Makrelen aus dem Supermarkt äßen wir eigenhändig gefangene Forellen aus dem nahegelegenen Bach. Die romantisierte Natur! Keine Rede davon, dass der Mensch gerade wegen dieser Natur ein zur Gewalt verdammtes Wesen ist. Um sich davon zu lösen, braucht er Kultur. Die kann ihm das Landleben aber nicht bieten, weil es dort rüde zugeht: ein Leben in Matsch, Hühnerdreck, Schweiß, Gemetzel und Blut. Landarbeit ist Drecksarbeit. Natürlich brauchen die Städter das auch, sie müssen ja essen, um zu leben. Aber jeder, der an einem städtischen Schlachthof vorgekommen ist und den Geruch in der Nase hatte, ist froh, mit dem, was früher jeder Bauer erledigen musste, nichts zu tun haben zu müssen. Stadtleben ist ein Privileg. |
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16.06.2018, 15:25 | #9 | |
Oder entfremdung,
wie mans halt nimmt. Den Sinn gelenkt auf Arbeit, die euch nährt - Mit fernen Dingen eure Herzen nicht beschwert. Würdest du also kategorisch als Drecksarbeit und ferner romantisierung der Natur interpretieren ? Zitat:
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16.06.2018, 15:46 | #10 |
Forumsleitung
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Was ist für dich "Entfremdung"? Defniere das mal, möglichst frei von Marx.
Entfremdet davon, in Höhlen oder auf Bäumen zu leben? Als Nomaden mit den Tieren zu ziehen, die man essen will? Entfremdung von den Trommeln und Rauchzeichen, mit denen man sich Nachrichten schickte? Von Sklaverei, wie sie außerhalb der westlichen Welt immer noch existiert? Glaubst du wirklich, in kleineren Gemeinden sei das Leben idyllischer und heiler als in einer großen Stadt? Dass dort niemand am Handy klebt, vor dem Fernseher sitzt, seinen SUV vor der Tür stehen hat, mit seinem Anwalt über die Scheidung und das Sorgerecht über seine Kinder korrespondiert, dem Alkohol verfallen ist und täglich 40 bis 100 Kilometer bis zu seinem Arbeitsplatz fahren muss? Wie kommst du auf die Idee, allein das Leben in einer kleinen Gemeinde sei bereits eine Garantie dafür, authentisch, also seelisch gesund zu sein im Vergleich zu einem Stadtmenschen, der schon aufgrund des Lebens in einer "Steinwüste" dekadent sein muss? Wobei die Städte, dies nur nebenbei bemerkt, meistens grüner sind als die Kleinstädte und Dörfer um sie herum. |
16.06.2018, 15:50 | #11 |
16.06.2018, 16:07 | #12 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.489
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Die romantisierung.der Natur kommt ja von Städtern, echte Dörfler schmeißen ihren Müll da noch eher in den Wald.
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16.06.2018, 16:15 | #13 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Meine Ferien habe ich viele Jahre auf dem Land, also bei einer Bauernfamilie verbracht. Der Bauer wäre mit seiner Familie allein von seiner Landarbeit nicht überlebensfähig gewesen. Neben seinem Getreidefeld und seiner Heuwiese hatte er noch einen Job in der örtlichen Holzfabrik, und an den Wochenden arbeitete er für die Holzfabrik in Heimarbeit. Freizeit gab es für ihn nicht, und abends schlief er vor Erschöpfung spätestens nach den 8-Uhr-Nachrichten ein. Ein Zusatzeinkommen hatte er dadurch, dass er meiner Großmutter und mir jedes Jahr in den Ferien ein Schlafzimmer zur Verfügung stellte und uns quasi Familienanschluss gewährte, d.h., Essen am Familientisch war inbegriffen. Das Essen bestand zum großen Teil aus eigener Schlachtung: zwei Schweine, eins wurde nach dem Großziehen verkauft, das andere für den Eigenbedarf geschlachtet. Vom Erlös des verkauften Schweins kaufte der Bauer zwei Ferkel für den nächsten Durchgang. Dann gab es noch ein paar Hühner und eine Katze, zwei Milchkühe und einen Ziehochsen. Die fraßen einen Großteil dessen, was der Bauer in der Holzfabrik an Lohn erhielt. Haltlos, entwurzelt, rastlos, planlos, ziellos und blind waren der Bauer und seine Frau sicher nicht. Gesichert, bodenständig, zielgerichtet und sehend aber auch nicht, denn darüber nachzudenken und zu entscheiden hatten sie nicht die Freiheit. Solche Attribute waren jenseits ihrer Vorstellung, weil sie einfach so lebten, wie sie es anders nicht kannten. |
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