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15.05.2015, 15:47 | #1 |
Die brutale Lebenshilfe
Ich betätigte mich bei Gelegenheit als praktischer Psychologe, und so konnte ich schon manch Darniederliegenden wieder auf die Beine verhelfen. Allerdings in den meisten Fällen weniger durch meine Fachkompetenz als durch eine begünstigte Fügung. Die Nahtoderfahrene hatte mich gerufen als Priesterersatz, teilte mir an ihrem Sterbebett mit, dass sie den Tunnel, die Passage ins Jenseits, vor etlichen Jahren betreten hatte und sie zeigte sich zuversichtlich, weil es weder Irrwege noch Finsternis gab.
Als ich ihr erzählte, dass ich einmal im Vollrausch gestürzt und in Ohnmacht gefallen sei, mich lauter Sterne umschwirrt gehabt hätten, und es mir nach dem Erwachen wie eine Offenbarung vorgekommen sei, in den Himmel aufsteigen zu können, wegen der Sterne, zog sie urplötzlich einen Gegenstand unter ihrer Bettdecke hervor. An den kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Es war aber ein stabiles Kreuz. Sie schlug mir damit auf den Schädel. Später erklärte sie mir, sie hätte sich durch mich nicht ernst genommen gefühlt gehabt, ich hätte durch meine Anekdote ihr Nahtod-Erlebnis ins Lächerliche ziehen wollen. Ich spürte nicht nur einen inneren Groll, ich war am Explodieren. Den meisten Leuten galt ich als Zuchtmeister. Doch diesmal hatte ich mich selbst nicht in Zucht, griff mir kurzerhand den Ständer mit den brennenden Kerzen darauf, holte aus und schnellte ihn der Alten auf ihren Kopf, den sie zurück auf das schneeweiße Federkissen hatte sinken lassen und der mir so aufreizend erhaben und zugleich einfältig erschien. Diesmal erwachte sie viel schneller, als bei ihrem Nahtoderlebnis, von dem sie mir berichtet hatte, hielt es aber auch für eins, ohne dass sie jenen Tunnel mit dem verheißungsvollen Licht am Ende erblickt hatte. Mein wuchtiger Hieb, beklagte sie sich, hätte ihr alle jenseitigen Lichter ausgeknipst, und damit die Hoffnung genommen, den Weg in den Himmel zu finden. Die Kerzen in dem Halter waren noch während meines beschleunigten Zuschlagens im Luftzug erloschen. Ich redete in Priestermanier eindringlich auf die Alte ein, sie habe schließlich zuerst zugehauen und im selben Moment so vermutlich ihr Privileg auf einen Platz im Jenseits verwirkt. Vom Sterben wollte die Alte jetzt nichts mehr wissen, erhob sich von ihrem schneeweißen Laken. |
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17.05.2015, 10:21 | #2 |
abgemeldet
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Poes Thema mal anders. Aber vielleicht zu stark ausformuliert ohne wirklich mit Intensität in die Tiefe zu gehen.
MFG |
17.05.2015, 14:06 | #3 |
R.I.P.
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Klasse!
Für religiös konditionierte Leser eventuell zu blasphemisch, aber für mich als Haindlingfan ergötzlich. Manche Formulierungen könnten ziseliert werden. Ratzekahl erwärmten Gruß: Thing |
17.05.2015, 21:23 | #4 |
Danke, habs ma ein bisserl bearbeitet zwecks Feinschliff.
Die brutale Lebenshilfe Ich betätigte mich bei Gelegenheit als Psychologe, und konnte so manchen darnieder Liegenden wieder auf die Beine verhelfen. Allerdings in den meisten Fällen weniger durch meine Fachkompetenz als durch eine begünstigte Fügung. Die Nahtoderfahrene hatte mich gerufen als Priesterersatz, teilte mir an ihrem Sterbebett mit, dass sie den Tunnel, die Passage ins Jenseits, vor etlichen Jahren betreten hatte und sie zeigte sich zuversichtlich, weil es weder Irrwege noch Finsternis gab. Als ich ihr erzählte, dass ich einmal im Vollrausch gestürzt und in Ohnmacht gefallen war, mich lauter Sterne umschwirrt hätten, und es mir nach dem Erwachen wie eine Offenbarung vorkam, in den Himmel aufsteigen zu können, wegen der Sterne, zog sie urplötzlich einen Gegenstand unter ihrer Bettdecke hervor, an den ich mich nur schwach erinnere. Es soll sich um ein stabiles Kreuz gehandelt haben. Sie schlug mir damit auf den Schädel. Später erklärte sie, sie hätte sich nicht ernst genommen gefühlt und ich durch meine Anekdote ihr Nahtod-Erlebnis ins Lächerliche ziehen wollen. Ich spürte nicht nur einen inneren Groll, ich war am Explodieren. Den meisten Leuten galt ich als Zuchtmeister. Doch diesmal hatte ich mich selbst nicht in Zucht, griff mir kurzerhand den Ständer mit den brennenden Kerzen darauf, holte aus und schnellte ihn der Alten auf ihren Kopf, den sie zurück auf das schneeweiße Federkissen hatte sinken lassen und der mir so aufreizend erhaben und zugleich einfältig erschien. Diesmal erwachte sie viel schneller als bei ihrem Nahtoderlebnis, von dem sie mir in allen Details berichtet hatte. Nun war sie aus der Besinnungslosigkeit aufgetaucht, ohne dass sie jenen Tunnel mit dem verheißungsvollen Licht an seinem Ende erblickt hatte. Sie beklagte sich, mein wuchtiger Hieb hätte ihr sämtliche Lichter ins Jenseits ausgeknipst, und damit die Hoffnung genommen, den Weg in den Himmel zu finden. Die Kerzen in dem Halter waren noch während meines Zuschlagens im Luftzug erloschen. Ich redete in Priestermanier eindringlich auf die Alte ein, sie habe zuerst zugehauen und in dem Moment ihr Privileg auf einen Platz im Jenseits verwirkt. Vom Sterben wollte sie jetzt nichts mehr wissen und erhob sich von ihrem schneeweißen Laken. |
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