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Tanka-, Haiku- & Senryu-Gedichte Ursprünglich japanische Gedichtformen mit wachsender Beliebtheit. |
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22.01.2023, 23:08 | #1 |
Blick von der Brücke
Blick von der Brücke
Fische schauen, der Boden fährt mit mir Flussauf |
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23.01.2023, 01:43 | #2 |
Eine andere optische Täuschung
Verstand nur Bahnhof
Der Schnellzug stand und fuhr dann auf einmal rückwärts Ich erschrak im ersten Moment und dachte ich bin im falschen Zug, dann realisierte ich das auf dem Nebengleis ein Zug losfuhr. |
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25.01.2023, 11:49 | #3 |
Hallo Vers-Auen,
das Gefühl, wenn der Zug anscheinend rückwärts fährt, kenn ich auch. Ist ein blödes Gefühl. Wenn sich dann aufklärt, dass man doch im richtigen Zug sitzt, ist wieder alles bestens und man lacht. Witziges Haiku. Nette Grüße, Candlebee |
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25.01.2023, 17:54 | #4 |
Forumsleitung
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Man nennt dieses Phänomen "Parallax View". Nix Besonderes. Das kennt jeder. Es ist eine von vielen optischen Täuschungen, die wir jeden Tag erleben.
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26.01.2023, 10:13 | #5 |
Hi Vers-Auen,
nun, von offizieller Seite ist zumindest klargestellt: das ist nix Besonderes. Und wir wissen jetzt auch, dass die Sinnestäuschung als „Paralax view“ bezeichnet wird. Es ist eben immer gut, wenn sich jemand schlau macht und es versteht, ein wenig in die Tiefe zu blicken. Unabhängig von dieser sachkundigen Einschätzung erscheint es mir aber trotzdem als etwas Besonderes. Wenn jemand in die Tiefe blickt, auch noch von einer Brücke aus, so entsteht sofort eine Spannung. Was macht der da? Wir können sogar seinem Blick folgen. Es läuft etwas „rückwärts“. Doch erst in der Symbolik und Vorahnung will sich mir die ganze Tiefe der Situation erschließen. Warum kommt der Blick der Fische hinzu? Ist es mehr als eine banale Sinnestäuschung? Der auf den Fluss gerichtete Blick ist zu sehr mit dem Leben verknüpft, als dass man ihn übersehen könnte. Es bleibt offen, ob es ein letzter Blick ist, oder der eines gemütlichen Spaziergängers. In beidem steckt genug Stoff, der es lohnenswert macht, um zu verweilen und näher hinzuschauen. Das Leben läuft plötzlich rückwärts. Wir kennen das bei einer unerwarteten Todesnähe in brenzligen Situationen. Es kommt ein zweiter Blick hinzu, der Blick der Fische. Auch wenn man in der christlichen Symbolik wenig bewandert ist, so bleibt es ein besonderer Augenblick. In der christlichen Symbolsprache bedeutet Fisch Jesus, Cristus und Gott (Ichtos gr. = Fisch). Selbst der eingefleischte Atheist wird sich der metaphysischen Wirkung dieses Blickes nicht ganz entziehen können. In der Kombination bzw. Komposition von Ort, dem Blick dem Fluss , dem Fisch und dem „Paralax View“ ist das schon ein Hammer Haiku, das mit einem Nachhall eine große Tiefe zu erzeugen versteht. Gerne gelesen, Donna |
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29.01.2023, 06:47 | #6 | |
Dankeschön
Zitat:
leider war mir nicht zum Lachen zumute. Ich kann mich noch gut an die Situation erinnern. Ich bekam von der BW einen Einberufungsbefehl für den Grundwehrdienst. Die Sammelstelle, für die Anfahrt mit der Bahn, bzw. für die Abfahrt mit dem BW-Bus wurden genannt. Ich war als Kind mit den Eltern noch zuletzt noch mit der Dampflock mitgefahren. Bis ich mit dem Bummelzug an die Sammelstelle ankam musste ich fünf Mal Umsteigen. Beim letzten Umsteigen hatte ich das Gefühl ich bin im falschen Zug, weil ein anderer Zug beim Nebengleis losfuhr. Gelacht wie verrückt haben zwei junge Männer, die mir Gegenüber saßen. Offensichtlich hätte ich vor lauter Schreck die Augen aufgerissen bzw. Stielaugen gemacht. Ich vermutete, wegen den kurzen Haaren, das die jungen Männer auch zur BW mussten und ich vergewisserte mich, ob dieser Zug zur BW-Sammelstelle fährt, sie bejahten und sagten, sie mussten so lachen, weil ich mich vom losfahrenden Zug auf dem anderen Gleis so täuschen ließ. LG |
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29.01.2023, 07:14 | #7 |
Hi Donna,
es freut mich, dass dir mein Haiku gefallen hat. Nicht die Fische haben mich angekuckt, sondern ich die Fische. Als Junge habe ich gerne auf der Brücke die großen Forellen beobachtet. Nach einer Weile überkommt einem das Gefühl, die Brücke würde Flussauf fahren. Vor ca. 2,5 J. hatte ich eine großartige Parallaxe. Ich besuchte meine Tochter und als ich auf dem Heimweg war, ist vom Osten her der gelb- rote Vollmond aufgegangen. So einen riesigen Vollmond hatte ich zuvor noch nie gesehen. Nach 45min. Zuhause angekommen, stand westlich der Mond schon in der Höhe und war nur noch ca. halb so groß wie zuvor, auch war er bleicher, bzw. gelblich. Am nächsten Tag sah ich den Mond in der Tageszeitung. Ein Hobby-Fotograf hat in der Ortschaft, wo meine Tochter wohnt, damit das Foto des Jahres gemacht. LG Geändert von Vers-Auen (29.01.2023 um 17:42 Uhr) |
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29.01.2023, 14:04 | #8 |
Hallo Vers-Auen,
ein schönes Haiku mit einer interessanten Entstehungsgeschichte! Ich lese gerade das Buch „Haiku aus 5 Jahrhunderten" und dort wird unter jedem Haiku auch beschrieben, wann und warum es entstanden ist. Machte ein Haiku noch faszinierender. LG DieSilbermöwe |
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09.02.2023, 10:24 | #9 |
Hi Vers-Auen,
ungewollte Interpretationsspielräume entstehen sofort, wenn Fische sowohl Subjekt als auch Objekt sein können. Wenn es dir ausschließlich auf den Effekt der Parallaxe ankommen will, musst du es ein wenig umstellen. z.B. Beim Blick auf Fische von der Brücke fährt der Grund mit mir flussaufwärts von der Brücke aus fährt der Grund mit mir flussauf beim Blick auf Fische oder so ähnlich lG Donna |
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