Diverse
In der Zentralablage lief alles zusammen, was im Betrieb Tag für Tag geschrieben und per Brief versandt worden war. Die Durchschläge bestanden aus dünnem, platzsparendem Papier, so dass nur alle paar Jahre neue Ordner angelegt werden mussten. Es waren etwa dreihundert, unterschieden nach Einkauf, Lagerhaltung, Verkauf, Vertrieb, Betriebsvorbereitung, Retouren und Buchhaltung. Für jede Abteilung gab es die Buchstaben A bis Z. In der letzten Reihe, ganz hinten, stand ein Ordner mit der Aufschrift: "Diverse". Dort hinein kamen die "Nichtzuordenbare", nach denen nie wieder jemand fragte.
Es war die Aufgabe der Lehrlinge, heute "Azubis" genannt, die Durchschläge in die Ablage einzupflegen. Denn wenn ein Kunde oder ein Lieferant ein Anliegen hatte, musste der Hergang des Geschäfts nachverfolgt werden können. Dann schaute man nach dem Namen, zog den Ordner aus dem Regal und schlug die Korrespondenz unter dem Datum auf. Das kam regelmäßig vor, aber niemals mit Bezug auf den Ordner "Diverse". Mit "Diversen" machte man keine Geschäfte, sie waren Randerscheinungen, die in keiner Bilanz auftauchten und mit denen man auch sonst nichts am Hut hatte. Diverse legte man nur für den "Fall des Falles" ab, der jedoch nie eintrat. Der Ordner "Diverse" war von allen am wenigsten abgegriffen. Und voll wurde er nie. Denn als die Lehrlinge begriffen hatten, wie bedeutungslos die als divers geltenden Durchschläge waren, landeten diese zerknüllt im Papierkorb. Das sparte Energie und Zeit.
Divers war alles, dem man ratlos gegenüberstand. Wohin damit? Wie definieren? Was divers war, hatte keinen Namen. Es gab für sie einen Ordner, einen von über dreihundert, in dem sie gestapelt wurden. Würde jemand nach ihnen fragen, müsste man nach dem Datum gehen.
Aber wer hätte jemals nach Diversen gefragt?
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