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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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19.01.2013, 05:30 | #1 |
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Morbus gallicus
In einem Loch lieg ich im Keller,
mein Leben wert nicht einen Heller. Was nützten mir die größten Schätze, da mich befiel die gallisch Krätze. Du, Heilger Rochus, sei verflucht! Hab nur mein Liebesglück gesucht. Die Lieb hat mich fürwahr beglückt, sie machte blind mich und verrückt. Quecksilbersalbe, Hitzestube, zur Qual ward mir der böse Bube. Ich hab gelitten Stund um Stund, die Zähne fieln mir aus dem Mund. Die Glieder, einst so weiß wie Schnee, voll Pustulae obscoenae. Bald wird er untergehn, mein Kahn, noch rasch ein Traum im Fieberwahn: Von Demut und von Sittsamkeit, von einer Braut im Seidenkleid, vom Bräutigam, so sanft und hold, mit einem Herzen treu wie Gold. Von einem Haus am Waldesrand, von Kinderlachen, Ackerland, von Brot und Hühnereiern groß, vom Glück in der Familie Schoß. Es putzt der Pfaffe sich die Brille und fragt: "Was ist dein letzter Wille?" "Ergreift den Burschen, vierteilt ihn! Er soll mit mir zur Hölle ziehn!" |
19.01.2013, 10:26 | #2 |
Hallo Rosenblüte,
Gefällt mir richtig, dein Gedicht. Es ist eine gute Idee einen kompletten Krankheitsverlauf von Ansteckung bis zum Tod, unter Einbeziehung der wichtigsten Symptome, zu beschreiben. Maladie française ist eine tükische Krankheit, die lange unentdeckt bleiben kann und kaum mehr in unserem Gedächtnis ist. Jedes Jahr stecken sich in Deutschland fast 4000 Menschen neu damit an. Lg ThePoemIst |
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19.01.2013, 11:01 | #3 |
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Hallo ThePoemIst,
danke. Zwar ist die Medizin in der Behandlung der Syphilis heute weiter als damals, aber es ist nicht gelungen, diese und andere Geschlechtskrankheiten aus der Welt zu schaffen. Zu allem Überfluss kam AIDS noch hinzu und droht einen ganzen Kontinent auszurotten. Wenn es nach den Kirchenoberen geht, dürfen sich die Gefährdeten nicht mal durch Kondome schützen. Grausig! Lieben Gruß Rosenblüte |
19.01.2013, 11:34 | #4 |
Hallo Rosenblüte,
das gefällt mir ausnehmend gut. Saftig, kernig und bitter. Einen schönen Tag wünscht gummibaum |
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19.01.2013, 11:43 | #5 |
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Danke, lieber gummibaum!
Einen schönen Tag werde ich haben, hoffentlich auch einen erfolgreichen, denn ich gehe jetzt zur Demo gegen die Agrarindustrie. Dir ebenfalls einen schönen Tag! Lieben Gruß Rosenblüte |
19.01.2013, 11:53 | #6 |
Tolles Gedicht, ich konnte die ohnmächtige Wut richtig spüren.
Und viel Erfolg bei der Demo! LG Persephone |
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19.01.2013, 19:48 | #7 |
Ein klasse Gedicht, das es in sich hat, Rosenblüte. Die letzte Strophe bildet den spektakulären Schluss- und Höhepunkt.
LG Daisy |
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21.01.2013, 10:42 | #8 |
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Liebe Persephone,
ja, dieser Mann wusste bestimmt um seinen Zustand. Auch heute kommt es immer wieder vor, dass Menschen aus Leichtsinn oder Rücksichtslosigkeit mit Syphilis oder AIDS angesteckt werden: "Vielleicht bin ich bereits HIV-positiv, aber es ist mir egal. Ich mache es trotzdem ohne Gummi." - "Ich mache es mit einer osteuropäischen Prostituierten oder Junkie-Frau ohne Kondom." So wird Sex, eigentlich innigster Ausdruck von Liebe, zum mörderischen Spiel. Die Demo war toll. Noch ist der Kreis derer, sich aktiv für eine vernünftige und nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, recht überschaubar. Aber immerhin haben sich Verbraucher, Bauern, Händler, Natur- und Tierschützer bereits zusammengeschlossen. Die EU versucht schon andere Wege zu beschreiten, wenn auch in kleinen Schritten. Diese Vorhaben werden in Deutschland allerdings blockiert, weil die Agrarlobby hier so mächtig ist. Doch eines Tages werden Massentierhaltung und Umweltzerstörung der Vergangenheit angehören. Lieben Gruß Rosenblüte *** Liebe Daisy, danke. Es ist nur folgerichtig, dass diese arme Frau jenem Mann, der sie ins Unglück gestürzt hat, ebenfalls den Tod wünscht. Ein letztes Aufbäumen nach all der Qual. Aber ich nehme an, ihr letzter Wille wurde ihr nicht erfüllt. Selber schuld, wird sich der Priester gedacht haben. Lieben Gruß Rosenblüte |
21.01.2013, 11:18 | #9 |
R.I.P.
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Hallo, Rosenblüte -
drastisch gut gemacht, eindringlich, deutlich. Ich denke, der "Bube" wird ihr zumindest gefolgt sein, denn die Spirochaeta pallida war erst nach der Entdeckung des Penicillins behandelbar. Alles, was Du schriebst - auch in den Kommentaren - trifft ins Schwarze. Ein wirklich düsteres Kapitel im Hinblick auf den Umgang mit Frauen. Übrigens wurde von Adligen in Frankreich bis ins 17. JH geglaubt, daß die Kohabitation mit einer kindlichen Jungfrau von dem Leiden befreie. So mußte gar manches Kind das "hohe" Bett besteigen und die tödliche Ansteckung erleiden. Betroffenen Gruß von Thing |
21.01.2013, 18:47 | #10 | |
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Lieber Thing,
Zitat:
Ein Kontinent stirbt – AIDS in Afrika Lieben Gruß Rosenblüte |
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