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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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02.09.2018, 20:07 | #1 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Gedse Hayastan
Gedse Hayastan (Es lebe Armenien) Armenien -
Armenien - kleines Land mit großem Erbe Toast des russischen Gesandten Dem Gesandten aus Russland gebührt vor den andern, dem Gebot aller höfischen Sitte entsprechend, mit gehörigem Spruch einen Toast zu verkünden. „Ich habe“, so ruft er mit tönender Stimme, „in Ani die eintausend Kirchen gesehen. Der Herrgott beschütze das Land und die Menschen! Erhebt von den Sitzen euch, lasset uns trinken den goldfarbnen Cognac aus edelsten Reben, die Noah einst pflanzte am heiligen Masis und dankend der Gnade des Himmels gedenken!“ Toast des japanischen Gesandten „Wir haben“, spricht des Tennos würdevoller Mandarin, im Lande Nippon Sitten, die den euren ähneln: Der Gast, der unter unsren Dächern weilt, er darf der Obhut und dem Schutze seiner Wirte sicher sein. In euren Herzen ist die Tugend, Gäste, Freunden gleich, mit Wärme zu empfangen, längst Bedürfnis aller Hay. Der dritte Trunk, er sei der Menschlichkeit gewidmet, die ich erfahren hab in euren Mauern!“ Toast des arabischen Gesandten Mesrops Eisenschrift, ihr Brüder, macht die Bibel uns bekannt. Khutchaks Verse, Sayats Lieder klingen bis ins Morgenland, Komitas Choräle hallen wider von des Atlas Felsenwand. Klein ist dieses Land, doch groß ist euer Erbe Schenke, komm! und mach die dritte Kerbe, füll das Glas mit rotem Saft der Reben! Hayastan - hoch sollst du leben!“ Toast des deutschen Gesandten „Ihr habt mit Wortgewalt und hohem Sinn das Land am Fuß des Ararat gepriesen. Verzeiht! Ihr habt versäumt, das Beste zu erwähnen: Wir sahn in die Augen der Mädchen Nairis hinein - mit Recht, wie wir meinen, vergleichen die Dichter Armeniens die Augen der Frauen mit wogenden Wellen des Meeres. Der vierte und letzte der Lobesgesänge, er gelte den Frauen und Mädchen des gastlichen Landes!“ (Erläuerungen: Für mich lag Armenien vor 25 Jahren irgendwo in den Karawanken und das einzige, was ich von Armenien "wusste", waren die hintersinnigen Fragen und Antworten des Senders Eriwan. In Eriwan (Jerevan) gibt es zwar einen Sender dieses Namens, manche Witze haben einige Mitarbeiter/innen allerdings von mir gehört. Meine kleine (Beinahe-) Hymne ist gespickt mit Informationen, die auf das Land neugierig machen sollen. Z.B. - Ani - eine bedeutende Stadt im Großarmenischen Reich vor vielen hundert Jahren und übersät mit Kirchen. Zusätzlicher Hinweis von mir: Die Armenisch Apostolische Kirche ist "die älteste Schwester" unter den christlichen Glaubensgemeinschaften. Im Jahre 301 wurde das Christentum in Armenien zur Staatsreligion. - Der goldfarbene Cognac aus edelsten Reben am Fuße des Masis: Der Masis ist der heilige Berg derArmenier; Masis heißt "Mutterberg", wir kennen ihn als Ararat. Hier, so die Bibel, landete Noah mit seiner Arche und brachte den Weinanbau mit. Der Cognac (der nicht so heißen darf, weil die Franzosen darauf ihr Copyright haben) heißt Brandy und hat je nach Reife besondere Namen. Er schmeckt, weil er nicht im Hals brennt, auch Damen. - Gastfreundschaft der "Hay": Armenien heißt in der landessprache Hayastan, die Menschen bezeichnen sich als "Hay" und Gastfreundschaft können wir zwar buchstabieren, aber erfunden ist sie bestimmt in diesem Land. Ich kenne ein paar Länder - aber so etwas wie in Armenien habe ich noch nie erlebt. - Mesrops Eisenschrit: Mesrop war ein Mönch, der um 400 nChr das (bis heute nur durch ein oder zwei Buchstaben ergänzte) armenische Alphabet "erfunden" hat (nebenbei etwas später auch das georgische). 405 nChr hat er, über tausend Jahre vor Luther die Bibel ins Armenische übersetzt. Die "Eisenschrift" und die Sprache ist für heutige Armenier genauso schwer zu entziffern wie für die meisten Deutschen das Althochdeutsche. Khutchak war ein volkstümlicher Dichter, der im frühen 15. Jahrhundert lebte und zauberhafte Gedichte hinterlassen hat. Ich werde gern mal paar Strophen per PN schicken. - Sayat: Ein ebenso berühmter Dichter wie Komitas ein berühmter Komponist war. (ich glaube, den meisten Deutschen ist nur ein Stück armenischer Musikkunst bekannt - der "Säbeltanz" des Komponisten Khatchaturian; Armenier, die wir alle kennen: Cher, A. Agassi, Charles Asznavour. Artur Abraham, Kim Kardashian). - Mädchen von Nairi: Galten als die schönsten Frauen Arrmeniens. Ihr merkt es wahrscheinlich: Ich liebe Land und Leute, dieses "kleinen Lands mit großem Erbe" - ein Zitat nach Ralph Giordano. Was den Trinkspruch des Deutschen angeht: Schau Dir mal Bilder von Armenierinnen (und Armeniern) an und Du wirst eine Ahnung von meiner Begeisterung bekommen. Das "Besondere" an meinem Text ist, dass man mit Armeniern und in Armenien kolossale Mengen von hochgeistigen Getränken (selbstverständlich nur zwecks Desinfizierung und Stärkung des Immunsystems) zu sich nimmt - aber (!) trinken ohne einen gehörigen Trinkspruch - und es wird auf alles getrunken, was schön und gut ist - das ist sinnloses Saufen; mit einem originellen Trinkspruch ist es Kultur.) |
02.09.2018, 20:23 | #2 |
Schöner Kulturtransfer, lieber Heinz. Interessiert gelesen. Vielen Dank.
LG gummibaum |
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03.09.2018, 07:43 | #3 |
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Lieber Gummibaum,
ein Lob aus Deiner Feder - vielen Dank! Liebe Grüße, Heinz |
03.09.2018, 08:35 | #4 |
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662
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Lieber Heinz,
deine mit viel Herzblut geschriebene Liebeserklärung lässt mich deine große Begeisterung für dieses mir weitgehend unbekannte Land spüren. Du hast mir Armenien durch dein interessantes Feuilleton ein großes Stück nähergebracht. Das hatte seinerzeit selbst Karl May nicht geschafft. Danke und liebe Grüße Nöck |
03.09.2018, 19:05 | #5 |
Dabei seit: 10/2006
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Lieber Nöck,
vielleicht liegt es daran, dass Karl May Sachse war und ich Thüringer bin? Ohne Scheiß: Ich habe mich sehr über Deinen Kommentar gefreut. "Armenien - kleines Land mit großem Erbe" ist ein "geklauter" Titel eines Essays von Ralf Giordano (dessen Erlaubnis für die Verwendung ich bei ihm eingeholt hatte). Mir war das Land bis vor ca. 20 Jahren auch völlig unbekannt. Einmal dagewesen und schon packt Dich die "armenische Krankheit" - man wird dieses Land nicht mehr los. Liebe Grüße, Heinz |
03.09.2018, 19:47 | #6 |
R.I.P.
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Hallo, Heinz -
nicht zu vergessen:
Der Genozid, der den Armeniern von den Türken angetan wurde!! Wann ist es wieder so weit? Deine Lobpreisung: Immer wieder ein Lesegenuß. LG von Thing |
03.09.2018, 20:03 | #7 |
Dabei seit: 10/2006
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Hallo Thing,
die Trinksprüche aus dem Norden (Russland), dem Osten (Japan), dem Süden (Arabien) und dem Westen (Deutschland) entstammen einem längeren Gedicht - aus einer Zeit, in der es ein Groß-Armenien mit einem König und Fürsten gab. Da war der Genozid, dem ersten im zwanzigsten Jahrhundert, dem 1,5 Mio Menschen zum Opfer fielen - und noch heute weigert sich die Türkei, dieses Verbrechen anzuerkennen, noch in weiter (Zukunfts-) Ferne. Dem Genozid habe ich mein Gedicht "Nänie" gewidmet. Die Reaktion meiner armenischen Freunde - Tränen und die Aufforderung: Du musst aber auch mal was Fröhliches über uns schreiben. Danke für Dein Lob! Heinz |
04.09.2018, 08:24 | #8 |
Dabei seit: 05/2017
Ort: Gut gemeinte Grüße gen gern gesehene, Kalauer genießende, großartige Gäste!
Beiträge: 367
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Hallo,
mir fiel auf das der 2te Spruch als "dritter" bezeichnet wird.
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04.09.2018, 19:45 | #9 |
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Lieber Cilonsar,
Du hast sehr genau aufgepasst und ich habe versäumt zu erwähnen, dass der "Tischherr" den Reigen der Reden eröffnet hatte. Der "Tamadan" ist in Armenien so etwas wir der Chef der Tafelrunde, er begrüßt die Gäste und bringt natürlich den ersten Toast aus. (In dem Gesamtgedicht "Gajané" spricht als erste die Königstochter und damit man ihren hohen Bildungsstand erkennt, tut sie das in einer sapphischen Strophe); der zweite Gastredner bringt den dritten Trinkspruch. Kleiner Lapsus von mir. Hier die Eröffnungsrede Gajanés: "Tapfere Ritter, Gajané bin ich und heiße unsere Gäste gern willkommen. Ringt um meine Huld und gewiss ist euch die Tochter des Königs." Liebe Grüße, Heinz |
05.09.2018, 10:25 | #10 |
Puuuuh Heinz,
für diese gestandene Lyrik bin ich noch nicht bereit. Mein Wissen reicht noch nicht aus, um dir auf diesen Pfaden zu folgen. Darum kann ich dein von schwerem Parfüm umgebenes Gedicht nicht würdigen. Aber ich habe natürlich diese Ahnung, dass es sehr gut ist. Es ist wie mit Faust II, dafür bin ich auch noch nicht soweit. Ich kenne so gut wie gar nichts an Begriffen und Wesen oder Charakteren aus deinem Gedicht. :-) Liebe Grüße!! |
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05.09.2018, 14:33 | #11 | |
R.I.P.
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Zitat:
Faust II ist auch für mich zu schwere Kost gewesen - lag wie Blei. Dann doch lieber Heinz! |
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05.09.2018, 22:41 | #12 |
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Lieber MiauKuh,
Goethes Faust und dann auch noch den zweiten Teil in einem Atemzug mit meinen Versuchen, etwas auf die Beine zu stellen, ist viel zu viel der Ehre. Was den Faust angeht - da habe ich in meiner mündlichen Prüfung zum Ersten Staatsexamen dem Leichtsinn eine Chance gegeben und einen Vergleich zum ersten Teil der Tragödie gewagt. Vieles im zweiten Teil ist sozusagen der erste Teil auf weit höherer Ebene. Ein titanisches Werk, das auch in hundert Jahren nicht vollgültig interpretiert sein wird. In meiner "Gajané" unternehme ich den Versuch, verschiedene Gedicht- und Strophenformen, Metren und andere Gestaltungsmittel anzuwenden - immer gemäß dem jeweiligen Anlass oder der jeweils handelnden Person. "Gajané" , die schöne Königstochter, spricht z.B. in Form einer sapphischen Ode oder auch mal in "Helenaversen". Die Ritter lass ich zunächst "einfach" sprechen, oft angereichert mit Alliterationen (um ihre Nähe zu der alterümlichen Sprache des Mittelalters aufzuzeigen), aber sie nähern sich immer mehr der gehobenen Sprache des Sängers Orlando an. Im vorliegenden Auszug besteht die letzte Strophe (typisch deutsch sozusagen) aus Blankversen. Anapäste habe ich ausprobiert und mich auch an freie Rhythmen heran gewagt. Mein Wissen, lieber MiauKuh, reicht z.B. auch nicht aus, um eine Partitur Beethovens "lesen" zu können. Trotzdem kann ich seine Musik genießen! Hör Dir mal bei YouTube das "Adagio cantabile aus der Pathétique von Ludwig van Beethoven", gespielt von Nadia Singer an, dann bekommst Du eine Ahnung davon, was ich meine. Alsi - bitte nicht zu viel des Lobes, mir kommt es viel mehr darauf an, dass das Gedicht bestimmte Stimmungen vermittelt. Wenn das klappt, bin ich sehr zufrieden. Liebe Grüße, Heinz Hallo, liebe Thing, in vielen Auffassungen sind große Ähnlichkeit zwischen uns beiden zu bemerken. Aber gegen Goethe sind wir alle Maulwurfhügel neben einem wahren Gebirge, dessen Gipfel noch weit über die Wolken hinaus ragen. Liebe Grüße, Heinz |