|
|
Fantasy, Magie und Religion Gedichte über Religion, Mythologie, Magie, Zauber und Fantasy. |
|
Themen-Optionen | Thema durchsuchen |
31.12.2015, 14:33 | #1 |
Sagen aus vier Kontinenten
Es handelt sich um eine Zusammenfassung von Gedichten, die alle schon einzeln zu lesen waren, aber thematisch zusammengehören.
S Ü D E U R O P A Die Sage über den Olymp Aus dem wirren Chaos steigen erste Götter und verzweigen ihren Stammbaum. Die Titanen brechen bald die Macht der Ahnen. Kronos, ein Titan, hört sagen, er würd bald schon totgeschlagen durch den Nachwuchs, und vermessen zieht er vor, ihn aufzufressen. Doch ein Sohn entgeht dem Bösen. Mutters List kann ihn erlösen. Sie reicht Kronos statt dem Mündel einen Stein in seiner Windel. So wird Zeus, der Gott, gerettet, der den trunknen Vater kettet und ihn zwingt, um sich zu rächen, die Geschwister zu erbrechen. Nun entbrennt der Kampf der Götter gegen die Titanenväter. Vom Olymp, dem Göttersitze, krachen Felsen, schlagen Blitze. Jahre gehen bis zum Siege. Doch dann fällt die Väterriege, um, statt eignes Blut zu schlachten, still im Tartaros zu schmachten. Zeus und Hera, seine Schwester, bauen sich nun Liebesnester. Zeus jedoch, um sie zu necken, schlüpft gern unter fremde Decken. Artemis und Aphrodite sind der Seitensprünge Blüte. So erschaffen Zeussche Triebe Göttinnen der Jagd und Liebe. Nur Athene, stark und weise, kriecht aus Vaters Schädel leise. So ist der Olympier Leben, das drei Musen zart umgeben... N O R D E U R O P A Nornen Mythen der Germanenhorden kommen aus dem rauen Norden, wo ein Quell der Weltenesche Yggdrasil durch Blätterwäsche heilges Wasser gibt zum Leben. Und drei Nornen Schicksal weben. Urd, die älteste der Schwestern, überwacht das Reich des Gestern, und Verdani, als die zweite, leitet alles Sein durchs Heute, Skuld, die dritte, blickt gen Morgen, sich um Werdendes zu sorgen. Mensch und Göttern überlegen sind die drei, und sorgsam regen sie die Hände und verbinden, wo sie Lebensfäden finden, alle Wesen, alle Mächte, in der Zeiten Sinngeflechte. Oft sind Götter um die Nornen, denn sie gleichen Wissensbornen, die selbst Odin weisen Segen spenden. - Und die Schwestern pflegen sanft die Esche. Denn ihr Sterben wird die ganze Welt verderben. Bifröst Zwischen Asgards Himmelszonen, wo die Asengötter thronen, und der Erde Midgard spannen weit sich über Berg und Tannen, rot und grün und blau drei Strahlen, die aus Licht die Brücke malen. Götter schufen sie aus Feuer, Luft und Wasser. - Ungeheuer steigt sie wie ein Regenbogen flammend durch der Wolken Wogen. Und Gott Heimdall schützt die Brücke vor der Riesen Kraft und Tücke. Täglich steigen Götter nieder, sammeln sich am Urdborn wieder, um geheimen Rat zu halten, Recht für Menschen zu gestalten. Nicht so Thor: Es bräch die Brücke unter seiner Last in Stücke. Doch dereinst am Weltenende Ragnarök kommt durch die Hände böser Riesen die Zerstörung: Wenn am Gipfel der Empörung Muspells Söhne sie zu Pferde queren, stürzt sie jäh zur Erde. Sol Des Riesen Mundilfaris Wonne ist seine Tochter. Nach der Sonne benennt er sie. Die Götter droben erzürnt der Dünkel. Sie geloben, dass nun sein Kind, nach ihrem Schluss, den Götterwagen führen muss. Zwei Hengste ziehen Sol den Wagen. Zwei Wölfe wollen sie erjagen. So flieht die schöne Frau durchs Weite des Himmels, birgt an ihrer Seite die Sonne. Nur ein Schutzschild wehrt, dass sie die heiße Glut verzehrt. So stürmt sie fort an vielen Tagen. Doch Wölfin Skalli hat den Wagen zuletzt erreicht, um aufzuspringen. Und endlich kann sie Sol verschlingen... doch die gebärt zu guter Letzt ein schön'res Kind, das sie ersetzt. Ä G Y P T E N Osiris' Ermordung Aus Ägypten raunen Mythen von dem Gott der Wüste, Seth, der zu herrschen und zu wüten eiskalt über Leichen geht. Eine Kiste wählt das Luder, und Osiris ist sein Ziel. Wirft sie, als er seinen Bruder eingesperrt hat, in den Nil. Niemand kann Osiris retten. Isis, seine Gattin, muss zur Geburt in Wochenbetten, und so treibt er fort im Fluss. Bald schon endet diese Krisis. Dann ist Horus, Isis Kind, wohlgeschützt vor Seth, und Isis sucht Osiris tränenblind. Kinder weisen ihr die Wege zu der Kiste, angeschwemmt an des Königs Parkgehege, wo sie fest im Baumstamm klemmt. Isis dient in Melkarts Reiche. Sie gewinnt des Königs Gunst und als ein Geschenk die Leiche, die sie weckt mit Zauberkunst. Doch das Glück ist kurz. Die Kunde dringt schon bald zu Bruder Seth, der mit altem Hass im Bunde wieder Brudermord begeht. Diesmal werden alle Glieder in der weiten Welt verstreut. Isis sammelt diese wieder und vereinigt sie erneut. Doch ein Letztes ist vergessen für das Auferstehungsglück, denn vom Krokodil gefressen ist des Mannes bestes Stück. Ohne Phallus fällt dem Gatten nur ein Trostpreis in den Schoß. Herr zu sein im Reich der Schatten, wird Osiris dunkles Los. Der Krieg der Götter Sorglos lebt der Götterjunge Horus wie ein Menschenkind, bis ihm endlich eine Zunge flüstert, wer die Eltern sind: Dass Osiris, dem vor Jahren ganz Ägypten unterstand, kleingehackt vom schauderbaren Gotte Seth, ins Jenseits fand. Dass er selbst als dessen Erbe und als Isis Kind gedeih‘, die ihn fortgab, dass nicht sterbe, wer des Vaters Rächer sei. Da erzürnt der Götterknabe, wählt Soldaten, Schild und Speer, fällt mit Heer und Kriegsgehabe über Seth, den Mörder, her. Bald schon klaffen Seth die Wunden, doch der formt nur Wut daraus, kämpft verbiestert und verbunden, und so dehnt der Kampf sich aus. Menschen sind der Schlachten Futter, jeder Gott schwingt bald sein Beil, Horus köpft aus Wut die Mutter, Toth, der Mondgott, macht sie heil. Schließlich tagt die Götterrunde, dass ihr Spruch den Sieger weih‘, doch kein Urteil bringt die Kunde, dass der Kampf vorüber sei. Auch ein Zweikampf unter Fauchen führt die Feinde, die im Nil sich als Nilpferd wechselnd tauchen, nicht zu dem ersehnten Ziel. Endlich kommt Osiris Schatten aus der Erde dunklem Kern, und bestimmt den kampfesmatten Horus zu Ägyptens Herrn. Seth erhält ein Stückchen Wüste und ein Fleckchen Wolkengrau - Sandsturm, Donnern: das sind Lüste seiner eitlen Muskelschau. A F R I K A Baobab Savanne ist mein Heimatland. Und manchmal kratzt ein Elefant den Rücken sich am dicken Stamm. In meinen Ästen, krumm und stramm, haust der Lemur mit seinem Kind, da meine Gaben köstlich sind. Ich spende Schatten. Und mein Stolz, das ist mein wasserreiches Holz. Mein grünes Blatt trägt wie die Hand fünf Finger, und mein Blütenstand bezirzt den Flughund, der zur Nacht mir naschend die Bestäubung macht. Die Frucht gleicht einem Straußenei. Ihr Fleisch belebt, wirkt wie Arznei. Der Mensch glaubt an der Ahnen Kraft in mir, schlürft Tee aus Rindensaft, webt seine Hüttenwand, sein Kleid, aus meinem Bast seit langer Zeit. Ich werde tausend Jahre alt. Allein, mich wurmt die Missgestalt der Äste, die so wurzelgleich, als hinge ich vom Himmelreich, geformt, das heißt, gezwirbelt sind, dass sich ein Mythos darum spinnt. Der sagt, dass die Hyäne klar entdeckte, dass sie hässlich war. Und weil sie Wut auf Gott empfand, so riss sie mich aus seinem Land. Sie warf mit mir nach seinem Thron… Ich wurzle mit dem Kopf als Lohn. N O R D A M E R I K A Traumfänger Indianer wissen: Träume sind der Wesen Innenräume, und ein Blick ins Traumgehege weist dem Menschen gute Wege. Doch in manchen Träumen wohnen Kräfte feindlicher Dämonen, und was diese heimlich planen, ahnen manchmal nur Schamanen. Einst verweilte so ein Lehrer träumend auf des Berges hehrer letzter, freier Gipfelzinne und sah plötzlich eine Spinne. Das war Iktomi, der Geister weiser Schelm und Zaubermeister, der den Weidenring des Alten sich erbat, ihn zu gestalten. Und er spann nach Spinnensitte nun ein Netz vom Rand zur Mitte, glänzend wie bei feinen Stoffen, nur die Mitte ließ er offen. Sprach: „Mein Netz hegt das Verlangen, gute Träume aufzufangen, durch das Loch im Zentrum schweben all die bösen aus dem Leben. Nimm es hin, es mag dir nützen, wunderbar dein Volk zu schützen.“ Und der Schauende erwachte aus dem Gipfeltraume sachte, schritt hinab durch Licht und Schatten. - Über allen Hängematten sah man bald die Netze schweben und den Schläfern Frieden geben. Traumfänger Während durch die Talprärien große Büffelherden ziehen, steht der Häuptling und Schamane auf dem Berg im Geisterwahne. Hält in seinen alten Händen, böse Mächte abzuwenden, einen Reif aus Weidenruten, reich geschmückt für alle guten. Plötzlich spüren seine Sinne einen Geist in einer Spinne, denn ein Wesen mit acht Füßen spricht in heiligen Ergüssen. Es ist Iktomi, der Geister weiser Trick- und Zaubermeister, der den Weidenring des Alten froh ergreift, ihn zu gestalten. Spinnt darin nach Spinnensitte nun ein Netz vom Rand zur Mitte. Kunstvoll ist die Form getroffen, nur die Mitte lässt er offen. Gibt dem Alten das Gebilde weiht ihn ein, wie sein Gefilde, in ein Lebensrad gekleidet, sorgsam nachts die Träume scheidet: „Merk, dies Netz hegt das Verlangen, stets die guten einzufangen, alle schlechten aber schweben durch das Loch vorbei am Leben.“ Dieses ist dem Häuptling teuer, kündet’s bald am Lagerfeuer. Und man bastelt Traumesfänger, lächelt träumend und schläft länger. MI T T E L A M E R I K A Quetzalcoatl & Tezcatlipoca Ein Adler saß in Mexiko auf einem Kaktus stachelfroh, hielt eine Schlange in den Krallen, um den Azteken zu gefallen. Die bauten dort Tenóchtitlán und griffen alle Völker an. Sie opferten, frisch ausgerissen, stets Menschherz auf Federkissen. Ketzálkwaltál gefiel das nicht, der Schlangengott war sanft und schlicht. Sein Bruder aber nahm die Schlange sofort mit List in seine Zange. Tezcátlipóca schlich herbei und zeigte ihr das sein Konterfei in seinem Spiegel alt und hässlich, Ketzálkwaltál erschrak sich grässlich. Tezcátlipóc' gab einen Tank dem Bruderherz als Schönheitstrank, doch es war Schnaps, und schwer betrunken ist der in Schwesters Bett gesunken. Die Unzucht, die ihn überkam, bedrückte nüchtern ihn als Scham. Er floh in einem Boot aus Schlangen, um nach Atlantis zu gelangen. Azteken blickten lang aufs Meer und hofften auf die Wiederkehr. Dann schien Ketzálkwaltál zu kommen - Cortés hat so ihr Land genommen. C H I N A Die vier Flüsse Chinas China hatte keine Flüsse, nur am Rande lag ein Meer, und der Wind zog Regenküsse mit den Wolken von dort her. In dem Meer, im Osten grenzend, lebten Drachen. Je ein Tier gelb und schwarz und lang und glänzend, aber freundlich alle vier. Flügelwesen, die gern spielten in den Wolken überm Land, sorgend nach den Menschen schielten, ob sich jeder wohl befand. Einmal hörten sie das Beten Aufgeregter überall. Regen fehlte, Menschen flehten, dass er auf die Ernte fall‘. Und die Vier, um Hilfe, flogen zu des Himmelkaisers Saal, doch dem Gott war, selbstbezogen, alles Menschenleid egal. Zwar versprach er ihnen Regen, doch er rührte keine Hand, und Verhungern drohte jedem der sein Feld vertrocknet fand. Da beeilten sich die Drachen, sogen Wasser aus dem Meer, und, um Regen selbst machen, spuckten sie die Bäuche leer. Rasch erhoben sich die Pflanzen, waren bald die Scheunen voll, fingen Menschen an zu tanzen, doch der Kaiser hegte Groll. Rief, als er die Zähne fletschte: „Bergesgott, heb du genug deine Gipfel!“ Der zerquetschte so die Drachen prompt beim Flug. Doch das Leben zu verlieren, ließ den Toten keine Ruh. Flüsse wurden aus den vieren: Amur, Jangtse, Hwangho, Zhu. |
|
31.12.2015, 16:23 | #2 |
R.I.P.
|
Lieber gummibaum -
welch eine monumentale Präsentation.
Dafür braucht ein Leser wie ich geraume Zeit, um zu lesen, zu befinden und zu antworten. Ich freue mich darauf - auch wenn es heißt, Geduld zu üben. Und hier ist die Vorfreude eine ganz besondere! Liebe Grüße und alles Gute für das Neue Jahr! Thing |
31.12.2015, 17:51 | #3 |
Danke, liebes Thing. Auch dir alles Gute für 2016!
LG gummibaum |
|
Lesezeichen für Sagen aus vier Kontinenten |
|
Ähnliche Themen | ||||
Thema | Autor | Forum | Antworten | Letzter Beitrag |
was ich sagen will | Ex-Lichtsohn | Humorvolles und Verborgenes | 2 | 05.12.2015 00:56 |
Um zu sagen | Panta Rhei | Düstere Welten und Abgründiges | 3 | 24.09.2014 22:58 |
Was ich dir sagen will | Rebird | Liebe, Romantik und Leidenschaft | 8 | 23.08.2012 12:04 |
Vier | gummibaum | Humorvolles und Verborgenes | 7 | 02.05.2012 16:01 |
Sie sagen | Sphynx | Gefühlte Momente und Emotionen | 0 | 04.12.2006 20:29 |