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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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04.08.2016, 23:24 | #1 |
Zehn alte Gedichte
Ich habe eine Zeit lang auch über Dinge Gedichte geschrieben. Zehn dieser Texte habe ich mal zusammengestellt. LG g
Die Schere ________________________________________ Auf meinem Schreibtisch grätscht sie schon die Schenkel, ein Schräubchen in des Winkels Scheitelpunkt. Ich stecke ihr zwei Finger durch die Henkel, wie man den Spieß mit Fleisch in Soße tunkt. Dann hebe ich sie von der harten Platte und öffne ihre Schenkel etwas mehr. Ich zeige ihr, wen ich im Sinne hatte, ein bleiches Opfer ohne Gegenwehr. Sie reagiert, umschließt das Blatt und schneidet, indem sie wiederholt die Grätsche schließt. Ich weiß nicht, ob das weiße Opfer leidet, das zweigeteilt von ihrer Schneide fließt. Der Schnitt ist glatt und unser Schauen weidet sich an dem Akt, aus dem Gemeinschaft sprießt. Das Klo ________________________________________ Mein Auge schaut durch seine Brille in Löcher eins bis drei hinauf. So fange ich mit der Pupille die Aggregate willig auf. Das letzte Mahl, das man sich bückend mir saurer würgend offeriert. Das, was im Sitzen, so entzückend heraus flutscht, mir den Blick garniert. Ich lasse schließlich Tränen fließen, ein Wimpernbürstchen putzt mich fein. Des Lebens kann ich stets genießen, fast jeder will gern auf mir sein. Hoover ________________________________________ Ich bin, obwohl ein Beuteltier, in aller Welt verbreitet, erjage Fussel, Staub, Papier, hab Spinnen schon erbeutet. Ich schlürfe sie durchs Rüsselrohr, ein Flügel saugt von innen, lang schaut mein Kabelschwanz hervor, ein Motor brummt tief drinnen. So rolle ich von Raum zu Raum und bitte nicht vergessen, den Beuteln wechseln, denn mein Traum heißt: alles sauber fressen. Vom Spiegel ________________________________________ Ich führe dich stets hinters Licht. Du siehst ein Bild, dem nichts entspricht, nur Schnittpunkte von Strahlen. Was hinten war, kommt vorne hin. Es läuft die Zeit im Gegensinn, falsch kreiseln die Spiralen. Und doch glaubst du dem Spiegelbild. Es stimmt erst glücklich, später mild, zuletzt stürzt es in Qualen. Das Gleis ________________________________________ Auf Schottergrau, auf dunklen Schwellen dehn ich mich aus, ruht mein Metall. Verweilend eilt es fort zu hellen und düstern Orten überall. Den Schall bring ich, der wächst und schwindet und Menschen, Dinge, hin und her, wer Tote zwischen Disteln findet, hier macht sich auch Verzweiflung leer. Ausdauernd ruh ich, bin entsendet, auf mir schleppt rastlos sich die Last. Wo immer ihre Reise endet, ihr Ziel hab ich zuvor erfasst. Das Netz ________________________________________ Ich glänze zart als Fliegenfalle und raufe Schwärme aus dem Meer. Ich trage dir die Dinge alle und Daten schnellstens hin und her. Ich bin die Ordnung, ich verstrebe die Punkte, die allein noch leer an Wert sind in ein Sinngewebe und mache sie bedeutungsschwer. Ich bin das Loch, das, fein gespalten, zerstückelt, doch zusammenbleibt, ein Wesentliches festzuhalten im Strom, der durchdringt, weiter treibt - Die Fliegenklatsche ________________________________________ Ich freue mich auf warme Tage, wenn ich die hübsche Fliege seh, geb ihr in exponierter Lage den ersten Kuss. Doch der tut weh. Es war der letzte schon. Die Lippe kam ohne Windstoß, schnell und hart, das brach dem Schätzchen jede Rippe und nur der rote Fleck bewahrt sein von der Wucht verflachtes Sein -- auch Glanz im Teppich - von Gebein. Die Uhr ________________________________________ Beflügelt von der Zeiten Gang setz ich des Zeigers Schritte und führe sie zwölf Stunden lang um eine stille Mitte. Dort ruhest du in Morhheus Arm. Wirst drin einst immer weilen. Doch vorerst schlage ich Alarm und treibe dich zu eilen. Ich zeig dir, wo die Sonne steht und zirkle dir das Leben, markiere, wie es weiter geht und takte all dein Streben. Man trifft sich und man scheidet bald auf Stunde und Sekunde. Vermerkt sich, wann des Glücks Gewalt einst stieg und ging zu Grunde. Ich setz den Rahmen aus Geburt und ernster letzter Stunde. Und gehe, wenn du festgezurrt, in meine nächste Runde. Der Tropfen ________________________________________ Ich bilde Tau, ich kugle mich auf Wachs, spritz aus Fontänen. Rinn von den Blättern, netze dich bei Kummer sanft mit Tränen. Ich häng am Zweig, ein Birnchen Glanz, verdunste an der Sonne. Fall ich ins Wasser, wächst ein Kranz, ein Säulchen steigt voll Wonne. Ich tummle mich im hellen Schoß der Freunde und genieße, wie ich - es lässt die Form mich los - in ihre Welt zerfließe. Das Blatt ________________________________________ Ich schlief so lang. Aus enger Hülle schieb ich mich spreitend jetzt hervor und greif das Licht in seiner Fülle und öffne ihm des Lebens Tor. Ich sammle es. Ich zeuge Stoffe, in denen es sich schwebend hält als Energie, die stützt und schroffe Gebirge selbst zum Wachsen wählt. Ich spende Nahrung, werfe Schatten, und atme für die Tiere aus, trag kleines Leben, düng die Matten, fall ich gefärbt aus meinen Haus. Ich bin ganz ich und doch der vielen, die ähnlich sind in ihrem Schnitt, ein Helfer, denn gemeinsam spielen wir in dem Ganzen reicher mit. |
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05.08.2016, 00:02 | #2 |
abgemeldet
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Zehn kleine Gummiwerke
les ich zum erfreun, die Schere schnitt eins ab, da waren' s nur noch neun. Neun kleine Gummiwerke, was habe ich gelacht, eins viel vor Schreck in' s Klo, da waren' s nur noch acht. Acht kleine Gummiwerke sind da noch geschrieben, dem Hoover nun der Beutel platzt, da waren 's nur noch sieben. Sieben kleine Gummiwerke, ich bin total perplex. Was steht denn da im Spiegel? Seh ich richtig - Sex? Sechs kleine Gummiwerke, sorry wenn ich schimpf, der Zug fährt auf 'nem andern Gleis, da waren 's nur noch fünf. Fünf kleine Gummiwerke stehen jetzt noch hier, eines ist in' s Netz gefallen, da waren 's nur noch vier. Vier kleine Gummiwerke flattern rum, so frei, plötzlich kam die Fliegenklatsche, da waren 's nur noch drei. Drei kleine Gummiwerke sind mir nicht einerlei, ich gucke auf die Uhr, verdammt, da stehn noch zwei. Zwei kleine Gummiwerke, der Tropfen und das Blatt, die lassen mich jetzt ruhn, denn ich bin so matt. Lieber Gummibaum, zehn kleine Gummiwerke haben mir sehr gefallen. Lieben Nachtgruß Letreo |
05.08.2016, 00:36 | #3 |
Das ist ja ein tolles Betthupferl, letreo! Süß geschrieben. Hab's mit Freude gelesen.
Alles Liebe gummibaum |
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05.08.2016, 11:37 | #4 |
R.I.P.
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Lieber gummibaum -
ich weiß nicht, welche der zehn Niaiserien mir am besten gefällt - eigentlich jede!
Du hast Einfälle skurrilster Art, manchmal komme ich aus dem bewundernden Staunen nicht heraus. Diese zehn Skizzen sind eine Bereicherung! Lieben Gruß von Thing Geändert von Thing (05.08.2016 um 13:30 Uhr) Grund: Texterweiterung |
05.08.2016, 11:52 | #5 |
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662
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Lieber gummibaum,
durchweg ein Genuss und immer schön flott in Reim und Rhythmus. Schade, dass die "modernen" Dichter das für altmodisch halten. Ich hätte deine Werke auch gerne einzeln, nacheinander eingestellt, gelesen. "Die Schere" erzeugt Bilder in meinem Kopf. Mit Freude gelesen, geschmunzelt und genickt. Liebe Grüße Nöck |
05.08.2016, 13:10 | #6 |
Liebes Thing,
da ich nicht so viel erlebe, muss ich mir manchmal etwas Skurriles ausdenken und so aus der Not eine Tugend machen. Vielen Dank. Lieber Nöck, danke. Ich habe die Texte in ihrer Entstehungszeit bei poetry. de einzeln eingestellt. Darum jetzt nur komprimiert. Die Schere gehört in die Sparte der mit erotischen Bildern überlagerten Dinggedichte. Modern habe ich früher auch gedichtet, später nur noch postmodern. Liebe Grüße euch beiden. LG gummibaum |
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05.08.2016, 13:27 | #7 |
abgemeldet
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Zehn Leckerbissen ... und ein elfter noch von Letreo.
Einfach klasse! |
06.08.2016, 00:35 | #8 |
abgemeldet
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06.08.2016, 21:43 | #9 |
Lieber gummibaum,
danke für die gelungene Zusammenstellung. Sehr gern gelesen und mehrfach geschmunzelt! Liebe letreo71, das ist richtig knuffig! Liebe Grüße Gylon |
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