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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen. |
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04.12.2022, 12:58 | #1 |
Maske
Tod eines Schauspielers
Sein Stichwort fiel. Er trat zum letzten Akt aus den Kulissen still und voller Würde. Befreit von aller Requisiten Bürde befreit von Schminke und Kostüm, ganz nackt und auf den eignen Herzschlag eingestimmt so folgte er (und ohne noch zu streiten) dem Regisseur, der seit Beginn der Zeiten die Rollen zuteilt, überprüft und nimmt. Die ihn umstanden, sahen tief erschrocken was ihm an Wahrheit zuwuchs, als im fahlen Licht so dicht auf dicht des Todes Schattenflocken herniedersanken. Unter dem Gewicht wollte der Atem ihnen schier wie seiner stocken - Und plötzlich ward zur Maske sein Gesicht. |
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18.12.2022, 20:37 | #2 |
Hi F.,
die düstere Atmosphäre funktioniert hier sehr gut - und wirkt. Das Gedicht hat Tiefe und geht unter Haut. Gut! Aber die 2.Z.2.Str. und die 4.Z.2.Str. könnten noch einige Verbesserungen vertragen. Falls dir nichts einfällt, oder falls Interesse besteht, dann melde dich. Vielleicht fällt mir was ein. Grüße Nemos |
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19.12.2022, 14:12 | #3 |
Hallo Nemos
Danke dir vielmals für dein Angebot. Dies ist mein allererstes und bisher einziges Sonett. Ich habe mich sehr geplagt damit, am meisten mit den beiden Stellen, auf die du zielsicher den Finger gelegt hast Und ja, Tipps und Denkanstöße nehme ich gern an. Ganz liebe Grüße von ftatateeta |
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19.12.2022, 16:34 | #4 |
Forumsleitung
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Für das erste Sonett schon mal beachtlich. Beim letzten Vers hakt es, und er liest sich ein bisschen, als hättest du hiermit die meisten Schwierigkeiten gehabt.
Nein, der Regisseur allein teilt nicht seit Beginn der Zeiten die Rollen zu. Beim Theater kann auch der Intendant mitbestimmen, manchmal wird er auch selbst die Arbeit des Regisseurs übernehmen. Außerdem haben Theater oft ein feststehendes, langjähriges Ensemble, und wenn Intendant oder Regisseur wechseln, bleibt das Ensemble trotzdem bestehen. Beim Film ist es noch komplizierter, da reden auch die Produzenten (und evtl. Banken) mit, denn schließlich verpflichten sie sich zur Finanzierung des Projekts. Dann gibt es noch die Agenten der Schauspieler, die mitreden, und wenn einer der führenden Schauspieler einen anderen nicht mag, kommt es vor, dass er ihn aus seiner potentiellen Rolle "wegbeißt". Aber das nur nebenbei. Für das Gedicht ist es unerheblich, denn es ist eine Momentaufnahme und vom Thema her eine schöne, wenn auch in Tragik mündende Idee. |
19.12.2022, 18:39 | #5 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe ftatateeta,
Kompliment! Für ein erstes Sonett eine beachtliche Leistung! Mir selbst ist diese Königsdisziplin mit ihrer strengen Formvorgabe meistens zu anstrengend und deshalb gehört das Sonett nicht zu meinem Tummelplatz. Umso ehrlicher ist mein Lob gemeint. Ich übersehe nicht die geringfügigen Abweichungen von der Form und den realen Bedingungen eines Theaters. Aber, wie mein Freund mal formulierte: Auch Zwerge haben mal klein angefangen! Ich füge hinzu: Aber nicht alle Zwerge machen gleich so große Schritte wie du. Liebe Grüße, Heinz |
19.12.2022, 20:03 | #6 |
Hi F.,
na dann gehen wir ran: 1. Ein paar Kommas habe ich eingefügt (unterstrichen) 2. 2.Z.2Str. nachgebend fernen Weiten (oder so) 3. 3.Z. Str.: ich persönlich würde hier eventuell auf alle heiligen Regeln einfach pfeifen und ausnahmsweise schreiben: seit Anbeginn der Zeiten (denn dann sind alle unbedeutenden Regisseure raus) 4. 4.Z.2.Str. zwei Varianten a) Tempo wie gewohnt b) mit Verstärkung 5. 2.Z. 4.Str. Anregung: wie unten Sein Stichwort fiel. Er trat zum letzten Akt aus den Kulissen still und voller Würde. Befreit von aller Requisiten Bürde, befreit von Schminke und Kostüm, ganz nackt und auf den eignen Herzschlag eingestimmt, so folgte er, nachgebend fernen Weiten, dem Regisseur, der seit Anbeginn der Zeiten die Rollen leiht, bewertet, zurücknimmt. Oder: die Rollen leiht. Bewertet. Zurücknimmt. Die ihn umstanden, sahen tief erschrocken, was ihm an Wahrheit zuwuchs, als im fahlen Licht so dicht auf dicht des Todes Schattenflocken herniedersanken. Unter dem Gewicht, da will der Atem ihnen zugleich stocken: Und plötzlich ward zur Maske sein Gesicht. Weiter so! LG Nemos |
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19.12.2022, 21:29 | #7 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Hallo Nemos,
wie ich schon sagte: Ich bin kein Kundiger in Sachen Sonett und habe nur im Kopf, dass es sich bei den Versen um Elfsilbler mit meist weiblicher Kadenz handelt der Versfuß der Jambus (im Sonett fünfhebige Jamben) ist. Diesen Vorgabe hat ftatateeta fast alle eingehalten. Deine Anregungen sind "Verschlimmbesserungen", täuschen allerdings vor, dass du mehr Ahnung von Sonettregeln hast als die Autorin. Wovor wird in dieser Jahreszeit gewarnt? Vor Glatteis! Und - du bist ausgerutscht. Liebe ftatateeta, nicht überall wo Kenntnis drauf steht, ist auch Wissen drin. Die Aufforderun "weiter so" ist sicher gut gemeint, aber (ich bin berüchtigt wegen meines "aber") übe dich bei Sonetten in klingenden Kadenzen (sonett kommt von klingen), vermeide wie im Vers "wollte der Atem ihnen schier wie seiner stocken " zu Beginn den Daktylus (XxxXxXxXxXxXx) und insgesamt 6 Versfüße. Der Atem wollte ihnen plötzlich stocken = xXxXxXxXxXx = 5 Jamben. Ein anderer Vers: "aus den Kulissen still und voller Würde" = xxxXxXxXxXx könnte man einen Anfangsfehler heraus lesen, denn man betont nicht: aus den Kulissen..., sondern "aus den Kulissen". Liebe Grüße, Heinz |
19.12.2022, 21:55 | #8 |
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Macht ftatateeta nicht die Idee kaputt!
Ja, einige von uns sind weiter und wissen Bescheid, wie das perfekte Sonett zu sein hat. Aber jeder muss erst einmal lernen, und wenn ftatateeta bei mir in die Schule gegangen wäre, hätte sie für die Arbeit Note eins bekommen. Man muss die Leistung auf der Grundlage des Entwicklungsstandes sehen und beurteilen. Und da sehe ich: Die Autorin ist noch unbeleckt, traut sich aber ein Sonett zu! Alle Wetter! Sie hat sich mit den Regeln vertraut gemacht. Und dabei ist ein gutes Gedicht herausgekommen. Ich schlage der Autorin vor, die letzten drei Verse nochmal zu überdenken - mit Abstand, in einer ruhigen Minute. Nach ein paar Tagen kommen neue Ideen. Ansonsten: Alles lassen wie ist. |
20.12.2022, 00:52 | #9 |
abgemeldet
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Moin ftatateeta,
auch ich kenne mich mit Sonetten nicht aus. Mir wäre dieses Einbringen von These und Antithese zu schwer. Ich würde mir daran wahrscheinlich die Zähne ausbeissen und die Freude verlieren. Daher kann ich gar nicht sagen, ob Du diese Parameter hier korrekt eingehalten hast. Ist mir aber auch ehrlich gesagt egal, weil ich den Text sehr stark geschrieben finde. Ohne auf die Sonettregeln zu achten. Das liest sich sehr schön und wirklich gehoben. Gefällt mir. Gruß Pennywise |
20.12.2022, 12:15 | #10 |
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879
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Liebe ftatateeta,
für deinen Nicknamen wirst du nochmal mindestens drei Tage in der Hölle schmoren! Aber das ist nicht der Grund meiner Wortmeldung. Ilka-Maria hat ihren Zeigefinger erhoben und dabei mahnende Worte geraunt. Deshalb eine Klarstellung: Wäre ich dein Mentor, gäbe es keine Note, sondern stattdessen für deine Sonettpremiere mindestens ein Dreiviertel Lorbeerblatt! Vergessen wären dann des Todes Schatten, die dunkel jenes Mimen Haupt verdunkeln. In lichter Klarheit würden zwei sich gatten, Thalia und Melpomene, sie munkeln von einem Platz im azurblauen Himmel, ganz nahe von Apollos Herrscherthron. Umkränzet würdest du im Sterngewimmel Dreiviertel Lorbeerblatt, das hast du schon. So, das waren zwei Strophen einem noch zu vollendenden Sonetts. Liebe Grüße, Heinz |
20.12.2022, 12:34 | #11 |
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Könnte man aber in dem Gedicht erkennen, egal, ob die Autorin das absichtlich oder unbewusst hinbekommen hat.
Im der ersten Strophe entledigt sich der Mime aller Requisiten, er will nur noch aus sich heraus seine Rolle verkörpern (These). In der zweiten Strophe kommt jedoch der Regisseur zur Sprache, der vorgibt, wie der Mime aufzutreten hat (Antithese). Doch der Mime weiß, dass es seine letzte Rolle sein wird, weil er in Ausübung seiner Leidenschaft sterben wird. Die letzte Maske, die er trägt, ist kein Requisit, sondern ein Teil von ihm, nämlich seine natürliche Totenmaske (Synthese). Das mag weit hergeholt klingen, erscheint mir aber sinnvoll. |
20.12.2022, 13:25 | #12 | ||||
Ganz ohne auf den Inhalt zu achten, hätte ich jetzt nichts an These und Antithese zu bemängeln, auch die Metrik ist sehr gut gelungen, man kann es klingend sprechen.
Ich mag den ersten Versuch. Ich glaube Nemos hat den Aspekt der Metrik überhaupt nicht berücksichtigt, Die Verbesserungen wirken willkürlich und eher nach den eigenen Vorlieben gerichtet. Zitat:
ebenfalls schöne 5 hebige Jamben Zitat:
Vielleicht wäre ja eines der Beiden Ideen eine Lösung für dich. "dem Filmherr, der seit Anbeginn der Zeiten" "dem Filme Herr, der seit Beginn der Zeiten" xXxXxXxXxXx Anbeginn wäre dann nur eine Lösung um die Metrik auf die gewünschte Länge zu bekommen. Das Hauptproblem liegt leider bei der Betonung von "dem Regisseur" Zitat:
Zitat:
Der gesamte Text ist im Jambus verfasst, aber hier beginnt er in Z2 im Trochäus, sogar eher im Daktylus, der sich aber nicht weiterführen lässt. Ich denke das Problem ist doch sehr erheblich. Vor allem wirkt es sich negativ auf den rhythmischen Aspekt aus. Ich bin kein großer Fan von "ward" aber um einer Elision aus dem Weg zu gehen (wurd') unterstütze ich es hier. Vielleicht gefällt dir ja mein Versuch der Satzumstellung? Ich glaube herausgelesen zu haben, dass dir Wichtig war, die Kadenzen gegensätzlich zur vorherigen Terzette in den Reimen zu wechseln. (Spiegeln) auf ihn herniedersanken. Unter dem Gewicht, da wollte ihnen schier der Atem stocken - Und unerwartet ward zur Maske sein Gesicht xXxXxXxXxXxX xXxXxXxXxXx xXxXxXxXxXxX Ich muss sagen für ein erstes Sonett ist das eine beachtliche Leistung. Man müsste nur etwas stringenter an das ganze herangehen, da ein Sonett eine doch strenge Form ist, dessen Zauber im Klang liegt. Es lässt formal wenig Freiheiten zu, außer sie treten erkennbar im Text auf und unterstützen die Aspekte der These oder Antithese. Oder bewegen sich entweder in den Quartetten, oder den Terzetten. Natürlich alles nur Vorschläge und keine Richtlinien, ich versichere aber, dass ich mich im Rahmen deines Textes und dessen Ästhetik bewegt habe. Vielleicht kannst du für dich etwas brauchbares heraus nehmen. Lg Mono |
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20.12.2022, 13:39 | #13 | |
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Nemos Vorschläge sind unbrauchbar, dazu muss man nicht weiter kommentieren.
Zitat:
"... dem Filme Herr" geht schon gar nicht, denn der Film ist noch nicht fertig. Es handelt sich um die Dreharbeiten. Außerdem: Das Gedicht erzählt nicht von einem Schauspieler am Filmset, sondern auf der Theaterbühne. Wenn die Aufführung läuft, hat der Regisseur keine Möglichkeiten mehr, einzugreifen. |
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20.12.2022, 13:55 | #14 |
"Regisseur" ist ein Anapäst, wird also auf der letzten Silbe betont.
Das Wort alleine ja, Anapäst hier steht er aber im Kontext und der Kontext will mir aufzwingen ihn auf "Re" zu betonen und das widersetzt sich meinem Sprachgefühl, vermutlich weil er ein Anapäst ist, wie du sagst. Das mit dem Filmherr hätte mir auffallen können wenn ich den Kontext gelesen hätte, ich sehe erst jetzt dass es sich um eine Bühnenaufführung handelt? Da steht Kulisse. Sorry Dennoch passt mir der Regisseur nicht ins Metrum. Lg Mono |
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20.12.2022, 14:08 | #15 |
Uff!
Ihr Lieben, habt Dank für euren Zuspruch. Ich fühle mich richtig an der Hand genommen und ermutigt. Von all euren Vorschlägen habe ich jetzt erst mal den von Ilka-Maria (dir besonderen Dank) beherzigt und die zweite Terzine geändert. Das Enjambement ließ sich ohne Verlust des Binnenreims -icht im Vorhergehenden nicht vermeiden. ... herniedersanken. Schwer schien das Gewicht. Auch ihnen wollte schier der Atem stocken. Und plötzlich ward zur Maske sein Gesicht. Herzliche Grüße rundum |
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20.12.2022, 15:25 | #16 |
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"Kulisse" gibt es sowohl auf der Bühne wie auch am Filmset.
Mit dem Regisseur hast du also ein Problem, ändert aber nix: Die Betonung bleibt auf der letzten Silbe. |
21.12.2022, 10:28 | #17 |
Lieber Heinz,
weil du meinen nickname schon mal mehr oder minder verflucht hast: ftatateeta ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Leider. Es handelt sich um eine Ägypterin aus der dramatischen Literatur. LG - die Unaussprechliche |
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