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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 25.04.2016, 14:36   #1
Thing
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Beiträge: 34.998

Standard Aufgelassen

.



Es ist gut fünfzig Jahre her,
da weinte ich an Deinem Grab.
Nun ist es aufgelassen.
Des Schmiedes schwarzgelacktes Kreuz
mitsamt des Metzes schlichtem Stein
hab ich in meinen Park geborgen.
Es wird mir, wenn ich scheide, passen.
Was will ich mehr?

Wie damals: Eine weiße Rose,
sonst nichts.
Ein Mehr wär mir zuviel.
Was soll das eitle Große
am Ziel?


29.06.2013
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Alt 25.04.2016, 20:08   #2
weiblich Ilka-Maria
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Keine Ahnung, was 1966 war, aber geschrieben ist es gut.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.04.2016, 20:30   #3
Thing
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Liebe Ilka-Maria,

die Zahl ist überholt.
Ich lasse hier meine Mutter sprechen. Das Grab Großvaters wurde vor etlichen Jahren aufgelassen. Das schmiedeeiserne Dornenkreuz und den kleinen Stein (nur der Name steht darauf) warten in Mutters Garten auf ihren Tod, auf ihre Beerdigung. Die zwei Dinge und eine Druschki (weiße Rose) genügen ihr, mehr will sie nicht.

Lieben Gruß
v.
Thing
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Alt 25.04.2016, 20:40   #4
gummibaum
 
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Die Idee der Schlichtheit und die, Kreuz und Stein wiederzuverwenden, gefallen mir. Es wird symbolisch auch eine Verbindung über das Leben hinaus geschaffen.

Schön geschrieben, Thing.

LG g
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Alt 27.04.2016, 14:51   #5
männlich Twiddyfix
 
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Erinnerungen über den Tod hinaus.

Als ich vor fünf Jahren in Berlin das Grab meiner Tochter besuchen wollte, war der Stein zerschmettert und die Erde aufgewühlt.
Zwanzig Jahre Ruhezeit waren vorbei und der Städtische Friedhof ist an einen Investor verkauft worden.
Hier werden elegante Neubauwohnungen entstehen.
(Wer möchte aber hier wohnen, über alten Gräbern?)
Dieser Friedhof war seit 1827 zugelassen und die alten Erbgräber mir ihren Gruften sind verschwunden.
Große, schwere Steine, mit goldenen Inschriften,
verspielte Gittereinfassungen und hinweisende Sätze oder Sprüche wie:
Hier ruht in Gott, der Rittergutsbesitzer, Träger des Verdienstordens 1. Klasse,
Herr über Vieh und Bedienstete u.s.w. u.s.w.

Oder etwas zum Schmunzeln.
Hier ruht die Putzfrau Wilhelmine Müller,
sie kehrt nie wieder.

Leben und Tod wohnen nebeneinander, überall auf der Welt.

Wer sich noch Erinnerungen aufheben kann -und sei es im Herzen- sollte es tun.
Ich habe vom Grab meiner Tochter nichts mitgenommen, wozu auch.

Dein Gedicht ist lesenswert.
Twiddyfix ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.05.2016, 13:13   #6
Thing
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Standard Lieber gummibaum -

das ist wahr. Ich sehe immer wieder Kreuz (wie oft habe ich den schwarzen Lack aufgefrischt!) und Stein, wenn ich in Mutters Wildgarten gehe.
Trotzdem ist das nicht nötig, um an meinen Großvater zu denken, dessen Tod mir viele Jahre Schmerz bereitete.
So bleibt weiterhin die Liebe über das Grab hinaus, wenn Mutter stirbt (sie ist 99 Jahre alt).

Lieber Twiddyfix -

auch wenn die Zeit nach Veränderungen ruft - einen so alten Friedhof aufzulassen, zeugt einfach nur von mangelnder Pietät.
Unser Stadtfriedhof ist gespickt mit zum Teil über 200 Jahre alten Gräbern, ganz so, wie Du es geschildert hast.
Er lädt, da sehr gepflegt, zum Schlendern und Schauen ein.
Auch stehen dort Föhren, deren Zapfen meinem Papagei zur Kurzweil dienen.

Euch liebe Sonntagsgrüße
von
Thing
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Alt 02.05.2016, 20:52   #7
männlich Gylon
 
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Beiträge: 4.269

Liebe Thing,
dein Text nimmt mich mit, schwer Bilder die mir aber sehr gut gefallen!

Liebe Grüße Gylon
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Alt 03.05.2016, 06:42   #8
Thing
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Lieber Gylon,

es hat doch auch Tröstliches, wenn sich jemand mit Bedacht auf Unabänderliches u n d die Vergangenheit einstellt.
Mein Grab wartet bereits seit zwölf Jahren auf mich. Hoffentlich hat es noch ein wenig Geduld.

Hab Dank für Deinen Kommentar!

Lieben Gruß
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.05.2016, 07:44   #9
männlich Ex-Lichtsohn
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Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493

Standard Liebes Thing

diese Zeilen sind nicht nur sehr schön geschrieben, sie lassen eine gewisse "Einfachheit" durchschimmern die mich sehr berührt. Das Lyri macht hier Pläne, wie man mit den vorhandenen Mitteln weiterarbeiten kann, das Grabkreuz und der Stein werden zu einer Verbindung, die man heute nur allzu häufig vergisst: "was für dich passt, kann ich auch verwenden", "ich bin mir nicht zu schön dafür dein Kreuz und deinen Stein zu benutzen" - aber auch eine andere Bescheidenheit schimmert durch: "nur eine weiße Rose" ... wenn ich deine kostbaren Zeilen lese sehe ich meine eigene Urgroßmutter in ihrem Schaukelstuhl am Kamin sitzen und höre sie sagen: "Du darfst Menschen niemals wegwerfen, nur kurz ablegen, wenn sie dir weh getan haben" und ich sehe ihre faszinierenden Augen die mich damals enorm beschäftigt haben: sie hatte eine Art "durch mich hindurchzusehen" die ich nie vergessen werde und sie lies uns in jedem Wort, in jeder Geste unglaublich viel Liebe spüren, selbst wenn sie im Leben eine ungeheuer starke Frau sein musste ...

Danke für die Erinnerungen und für deine Zeilen.

Alles Liebe in deinen Maitag.
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.05.2016, 08:05   #10
Thing
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Lieber Lichtsohn,

Deine Zeilen erinnern mich spontan an meine Großmutter, die leider sehr früh (mit 60 Jahren) verstarb.
Ich war ihr Lieblinglingsenkelkind - wahrscheinlich deswegen, weil sie in mir ihre eigene Jugend wiedererkannte - ich sah aus wie sie als Kind ausgesehen hatte.

Ich durfte immer mit all meinen kindlichen Kümmernissen zu ihr kommen, mich an ihre Schürze drücken und an den Schürzentaschen herumnesteln.
Sie hat mir im Sommer oft Kernseifenbrühe gemacht und Getreidehalme zurechtgeschnitten, damit ich stundenlang Seifenblasen in die Gegend pusten konnte.
Wie lange ist das her! An die sechzig Jahre....
In der Rückschau werde ich wieder zum seligen Kind.
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Alt 03.05.2016, 09:22   #11
weiblich Ex-Thrud
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Beiträge: 213

Standard Hallo Thing,

ein schweres Thema, um das viele einen Bogen machen. Diese Erfahrung hab ich jedenfalls gemacht.
Zitat:
Es wird mir, wenn ich scheide, passen.
Was will ich mehr?
Der Vers kommt so selbstverständlich daher, ich glaube, man muss ein gewisses Alter oder auch Lebenserfahrung haben, um das zu bejahen. Auf das Alter deines LI bezogen, leuchtet das Gedicht vollkommen ein.
Mir gefällt das Gedicht sehr, bin ich doch auch in einem Alter, wo viele meiner Schulkameraden, Bekannte und Verwandte schon gehen mussten, die jünger waren als ich.

Liebe Grüße

Thrud
Ex-Thrud ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.05.2016, 13:07   #12
Thing
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Ja, Thrud, ab einem gewissen Alter stellt sich Gelassenheit ein.
Bei mir wird es noch schmuckloser:
Die Steinplatte mit Namen und privatem Spruch wird alles sein.
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Alt 03.05.2016, 13:34   #13
weiblich Ex Wanda
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Beiträge: 173

Wunderschön, berührend, mit Kennerblick geformt.

Liebe Grüße
Wanda
Ex Wanda ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.05.2016, 13:52   #14
Thing
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Liebe Wanda,

mit einem herzlichen Willkommensgruß danke ich Dir!


Freundlichst:
Thing
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