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24.02.2017, 20:37 | #1 |
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Wie geht es dir? Dieselbe Frage, so oft am Tag gestellt. Immer gerne morgens, als Eisbrecher beim telefonieren oder nach Tagen, Wochen, Jahren des nicht-sehens. Unterschiedlich in Tonart und Kalkül, gleichbleibend in der Formulierung.
Die Prüfungsfrage, die es zu beantworten gilt, um vom Tag für tauglich befunden zu werden. Und das bitte richtig. Und richtig ist: Gut. Ein "Gut" ist schlicht und schnörkellos, der phonetische Arbeitsaufwand für mich und der Arbeitsaufwand des Gehirns meines Gegenüber überschaubar. Ich setze an zu sprechen. Retrospektive, emotionale Bestandsaufnahme. Es geht mir nicht gut. Aus Gründen. In mir tobt der Hades und die Trauer baumelt am Strick, der Körper lahmt und die Gedanken sind überall nur nicht bei der Frage an sich. Hat mein Gegenüber ein "gut" verdient? Diese 3 Buchstaben Erlösung, die es leichtgewichtig und leichtgewisslig in die Freiheit entlassen? Die Worte schießen meine Luftröhre hoch, werden gepackt und werden Teil einer schweren, gallertartigen Masse, die zäh und ächzend mein Inneres emporkriecht. Das "gut" bricht mit Gewalt den Damm meiner Lippen und dann sich selbst in den Raum. "Mir geht es gut" ist die Orgasmuslüge unter den Alltagsfragen, die Frage nach dem Befinden an sich eine Floskel. "Mir geht es nicht gut" ist das ungewollte Kind einer Sekundenliaison, basierend auf geheucheltem Interesse und egozentrischer Harmoniesucht. Das Kind fordert ein Sorgerecht in Form von Aufmerksamkeit, die zumindest ein Elternteil nicht zu geben bereit ist. Mir geht es gut. Alles andere ist reine Spekulation. |
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24.02.2017, 22:38 | #2 |
Lieber Versard,
wieder mit Interesse gelesen.
Bei uns (Arbeitsstelle: betreute Wohnform) , spielt sich diese Szene wie folgt ab: " Alles klar? " " Mh, Nö! " " Bedarf? " " Jo! " " Alles klar! " Hier ist bisweilen nicht herauszufinden, wer zu welcher Seite gehört. Wir sind alle Menschen, und stehen mal hier, mal da. Ausführungen, wie sich das Unwohlfühlen nun äußert, sind nicht unbedingt erforderlich. Man kennt sich. Was brauchts der Worte... Es sei denn, es artet. Außerdem, wir ham doch keine Zeit! Schnell die Anti-Stress-Pille schlucken, und weiter gehts doch. Wie überall... (Bitte alles Geschriebene mit einem Augenzwinkern betrachten.) Unar |
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