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27.10.2013, 22:14 | #1 |
Schatten (Fortsetzung von "Schwarz")
Viel Zeit blieb ihm nicht. Keine Zeit, sich umzudrehen, doch er wusste, dass der Stein wuchs und immer schneller wurde. Seine Schenkel brannten, Schweiß strömte, Lunge ächzte. Gleich war es vorbei. Der Stein würde sich ihn einverleiben, fast sehnte er sich danach, doch konnte er nicht aufhören, davonzulaufen. Kreischend riss die Erde auf.
Er fährt im Bett hoch, schüttelt sich, sieht auf die Uhr, erst 10. Sein Puls galoppiert, ans Weiterschlafen ist nicht zu denken. Er stemmt sich aus dem Bett, jammert vor sich hin: „Fuck-Nachtschicht, erst 2 Stunden geschlafen.“ Fühlt sich wie durchgeprügelt, schleppt sich ins Bad, unter die warme Dusche, sein Körper entspannt sich. Nun hat er Hunger, geht in die Küche, schlägt ein Ei in die Pfanne und lässt das Radio dudeln. Schon 11 Uhr, von Müdigkeit keine Spur, aber er muss schlafen. Also zurück ins Bett, dreht sich nach rechts, links und wieder auf den Rücken. Versucht zur Ruhe zu kommen, sein Kopf ist voller Schrott: 'Hoffentlich kommt der Skoda dieses Jahr noch mal durch den TÜV, muss hin, nächste Woche, spätestens Ende des Monats. Und ich muss den Keller aufräumen, das Bügelbrett suchen, Mutter will vorbeikommen. Sandra, geht da was? Soll ich sie einladen, ins „Backstage“ oder zum Essen? Die verdammte Steuererklärung muss ich auch machen, schon die erste Mahnung. Oh Mann!' Die Uhr zeigt 10 nach 12, er steht auf, holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Hat es auch mal mit Schlaftabletten versucht, die wirkten, aber erst in der Nacht, auf Arbeit. Früher hat er gemalt, wenn er nicht schlafen konnte, oder wenn er sich mies fühlte oder, eigentlich hat er immer gemalt, seit er einen Stift halten kann. Er schaut auf den Dienstplan, dreht ihn um, greift sich den Bleistift. In Zeichnen hatte er immer 'nen Einser. Später in Kunst nur eine Zwei, wegen der Lernerei. Aber er war gut, war in der Kunst-AG. Liebeskummer – seine Kumpels haben sich besoffen, er auch, und dann hat er gemalt. Wann hat er damit aufgehört? Die Hand führt den Stift wie von selbst, legt ihn beiseite, seine Finger verwischen die Schattierungen. Er schaut aufs Blatt – Schwarz. Schwarz wie der Müll in ihm. Seine Mundwinkel heben sich. Das Wichtigste fehlt noch. Er sucht auf dem Nachtkästchen, in den Schubladen. Denkt zurück an die Zeit, als er sich, nach dem Zivildienst, entschieden hat, Krankenpfleger zu werden. Einziger Mann in der Klasse - Hahn im Korb, auch jetzt noch. Aber das war nicht der Grund. Er wollte mit Menschen arbeiten, kann sich nicht vorstellen, den ganzen Tag an Autos herumzuschrauben oder im Büro zu hocken. Er kennt keinen Beruf, der abwechslungsreicher ist. Körper und Kopf sind ständig in Aktion. Wann war ihm das letzte mal langweilig? Kann er sich nicht erinnern. Er ist sportlich, hält sich fit, das ist wichtig. Sein Rücken ist top. Die Psyche, schwieriger, man kommt einander sehr nahe. Er kennt viele Kollegen, die sich zurückziehen, abstumpfen, Selbstschutz. Hat er versucht, fühlt sich für ihn an wie behindert, nicht sein Weg. Endlich hat er einen gefunden. Der Radierer wischt übers Papier. Wo Schatten ist, da muss auch Licht sein. |
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06.11.2013, 15:34 | #2 |
Hallo, Damaris,
ich hab mir erst jetzt Zeit genommen für die zweiteilige Geschichte. Ich finde sie großartig, so bedrückend schonungslos sie auch sind, wie der beschriebende Alltag des LIs. Nur das Nötigste, schnörkellos geschrieben. Es geht nah, man ist mittendrin und leidet mit. Wie der Titel sich als Faden durch die Geschichte zieht, einmal in der Mitte mit dem "schwarzen Bein" konkret wird und am Ende die Szene, in der das mit einem (Kohle)stift zeichnende LI beschreiben wird, finde ich grandios. Zeichnen als bitter nötiger Ausgleich, um Stunden für sich zu haben, alles ausdrücken zu können, was sich aufstaut. Gut, dass das LI dies für sich gefunden hat. Ein klitzekleiner Hoffnungsschimmer; alles Gute für das LI. LG, simbaladung |
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06.11.2013, 19:46 | #3 |
Vielen Dank, liebe Simbaladung.
Ich arbeite weiter an dieser Serie, bisschen korrigieren und plane weitere Folgen. Liebe Grüße, Damaris |
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